Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
unmöglich, sich Juliet alt vorzustellen. Meredith riss sich zusammen und kehrte in die Gegenwart zurück.
»Es ist Sache der beiden Oakley-Schwestern, ihn vor die Tür zu setzen. Was auch immer er behauptet, es ist ihr Haus, und er ist ihr Gast.«
»Wenn sie es nur könnten! Sie wollten ihn nicht dahaben, von Anfang an nicht. Er hat sich selbst eingeladen. Sie akzeptieren, dass er zur Familie gehört, und sie fühlten sich verpflichtet, ihn kommen zu lassen und ihm ein Bett zu geben, nun, da er hier ist …« Juliet zischte verärgert und biss ein Stück aus ihrem Doughnut.
»Außerdem«, fügte sie undeutlich mit vollem Mund hinzu,»außerdem, wie sollen zwei ältere Frauen, von denen eine, nämlich Florence, schon sehr gebrechlich ist, einem Burschen ihren Willen aufzwingen, der jung, gesund, entschlossen und vollkommen ohne jeden Skrupel ist. Denn skrupellos ist er, glauben Sie mir.«
»Ja, irgendwie glaube ich das auch.« Meredith nickte. Nach einem Augenblick fügte sie fragend hinzu:
»Wir können also sicher sein, dass er echt ist, ein richtiger, echter Oakley?« Sie winkte zur Untermalung mit einem Stäbchen Pommes, das sie auf ihre Gabel aufgespießt hatte.
»Schließlich ist es das, worauf alles basiert, oder? Er könnte auf irgendeine Weise von William Oakley erfahren haben, von der wir nichts wissen. Es gibt eine Menge Bücher über berühmte Kriminalfälle der Geschichte. Vielleicht gibt es irgendwo ein Buch, in dem auch der Fall Oakley abgehandelt wird, und dieser Mann, wer auch immer er ist, hat eine Ausgabe in die Finger bekommen? Können wir sicher sein, dass Jan Oakley tatsächlich der ist, für den er sich ausgibt?«
»Ich fürchte ja«, murmelte Juliet durch ein weiteres Stück Doughnut im Mund. Sie schluckte es herunter und fuhr deutlicher verständlich fort:
»Ich wünschte, ich könnte sagen, dass er nicht der ist, für den er sich ausgibt. Ich habe seinen Pass verlangt, wissen Sie? Und da stand es drin. Jan Oakley.«
»Es gibt auch so etwas wie gefälschte Pässe, oder?«, entgegnete Meredith.
»Ein verlockender Gedanke. Doch selbst wenn er irgendwo eine Schilderung des Gerichtsverfahrens gefunden hätte, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er all die Mühe auf sich genommen hat, um einen falschen Pass zu bekommen. Außerdem ist er imstande, eine Menge weiterer Details zu schildern, und wir können nicht beweisen, dass es die Unwahrheit ist, weil wir keine Aufzeichnungen haben über das, was aus William nach seinem Verschwinden aus Fourways House und dieser Gegend geworden ist. Sein eigener Sohn musste vor Gericht und ihn für tot erklären lassen, falls du dich erinnerst.«
»Und dieser Jan ist imstande uns zu erzählen, was aus William Oakley geworden ist?«
»Die ganze Geschichte«, sagte Juliet düster.
»Es scheint, der Gottlose William streifte für eine Weile kreuz und quer durch Europa, wohin ihn Lust und Laune gerade trugen. Hauptsächlich hielt er sich im österreichisch-ungarischen Reich auf. Schließlich wurde er in Krakau sesshaft, das damals von Österreich kontrolliert wurde. Dort hatte er eine Menge Glück. Er fand eine weitere reiche Frau zum Heiraten, diesmal eine polnische Händlerswitwe mit mehreren Geschäften. Jan hat sogar ein altes Sepiafoto, auf dem William und seine zweite Frau zu sehen sind. Woher sollte er das haben, wenn nicht von seiner Familie? Ich meine, sicher, es gibt eine Menge alter Porträts aus dieser Zeit, aber dieses Foto passt zu allem anderen, was Jan Oakley erzählt. Ich sage Ihnen eins, sie muss Geld gehabt haben, denn wegen ihres Aussehens hat William sie ganz bestimmt nicht geheiratet! William sieht auf dem Bild fast genauso aus wie auf dem gemalten Porträt, das in Fourways House hängt, arrogant und selbstzufrieden von oben bis unten. So, William hat also die Geschäfte geführt und das Geld seiner Frau benutzt, um noch mehr daraus zu machen. Diesmal gelang es ihm, die Finger von den Dienstmädchen zu lassen, und die Ehe funktionierte. Wer sagt denn, dass sich Verbrechen nicht auszahlt?«
»Alan nicht. Er sagt, dass Verbrechen sich leider viel zu oft für viel zu viele Leute auszahlt. Nicht für die Kerle, die am Ende im Gefängnis landen, sondern für die großen Fische im Hintergrund, die gänzlich ungeschoren davonkommen.«
»Jan ist ein kleiner Fisch«, sagte Juliet wütend.
»Ich würde ihn nur zu gerne im Gefängnis schmoren sehen. Sagen Sie Alan, dass ich bereits daran arbeite. Ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen.
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