Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
Das ist der Grund für mein Hiersein und unsere Unterhaltung jetzt.« Meredith trank von ihrem Kaffee und zuckte zusammen.
»Ich habe bereits versucht, mit Alan über dieses Thema zu reden. Er sagt, wir hätten gegen Jan Oakley nichts in der Hand. Die Tatsache, dass er ein Nachfahre vom Gottlosen William ist und auf Fourways House wohnt, ist kein kriminelles Vergehen.«
»Aber Geld zu erpressen ist eines«, entgegnete Juliet Painter. Verblüfft setzte Meredith ihre Tasse ab. Eine Gruppe von Teenagern mit Tabletts schob sich an ihrem Tisch vorbei. Als Meredith wieder reden konnte, fragte sie leise:
»Sind Sie ganz sicher, Juliet? Ich dachte, die Oakleys hätten kein Geld? Sie müssten das Haus verkaufen, um das nötige Kapital für eine Wohnung zu bekommen?«
»Sie hoffen, dass sie einen Käufer für das Haus finden«, verbesserte Juliet.
»Und genau das eröffnet Jan Oakley seine Chance. Sie sollten sich den Rest der Geschichte anhören – übrigens Jans Version. Ich hatte noch keine Gelegenheit, sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Jetzt kommt’s, passen Sie auf. Williams polnische Frau starb zuerst und vermachte ihr gesamtes Geld William. Als William starb, teilte er seinen Besitz zu gleichen Teilen unter seinen Kindern auf.« Juliet hob einen schlanken Zeigefinger, dessen Nagel – vielleicht ein wenig überraschend – magentafarben lackiert war.
»Okay, Oakley hatte zwei Kinder in Polen, einen Jungen und ein Mädchen. Doch er hatte auch ein Kind in England, das er in seinem Testament allerdings ausgespart hat. Es ist offensichtlich, dass er seinen polnischen Besitz aus den Händen seines englischen Sohns heraushalten wollte. William war ohne jeden Zweifel ein doppelzüngiger Stinker allererster Güte. Und jetzt kommt der Knackpunkt: Was hat er mit ›all seinem Besitz‹ gemeint? Meinte er damit auch seinen Besitz in England? Seine Tochter starb noch vor dem Ersten Weltkrieg an Diphtherie. Der polnische Sohn erbte jeglichen polnischen Besitz und sämtliche Geschäftsanteile. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Krakau wieder polnisch, doch für die Oakleys änderte sich nichts. Der Großvater von unserem Jan Oakley führte die Geschäfte weiter. Alles ganz normal also, wäre da nicht die Tatsache, dass sie später unter den Kommunisten alles verloren hatten. Der Vater von Jan erbte nichts. Die polnische Familie geriet in Armut, und das einzige überlebende Mitglied ist Jan Oakley, gegenwärtig zu Besuch bei seinen beiden Cousinen auf Fourways. Mit dem Wechsel des Regimes in Polen versuchten viele Leute, ihre beschlagnahmten Besitztümer zurückzuerlangen. Unser Jan – ich nenne ihn so, weil mir nichts Besseres einfällt – fing an, die Papiere der Familie durchzugehen. Eigentlich wollte er nur Belege für seinen angestrebten Entschädigungsprozess gegen die polnische Regierung, doch hey, was ist denn das? Eine Kopie des Testaments seines englischen Urgroßvaters! Zusammengefasst steht darin, dass Jan einen Anspruch auf einen Teil von Williams Besitztümern in England hat, heute repräsentiert durch Fourways House. Cora Oakley hatte zwar das Geld, doch das Haus und der Grund gehörten von Anfang an William. Wenn die Oakley-Schwestern es heute verkaufen, dann will er die Hälfte des Geldes. Er argumentiert, dass sein Großvater nach dem Testament des Gottlosen William Anspruch auf die Hälfte der englischen Besitztümer hatte – genau die Hälfte, die Jan jetzt für sich beansprucht. Damaris und Florence sind wie vor den Kopf gestoßen.«
»Sie brauchen rechtlichen Beistand!«, sagte Meredith prompt.
»Ich bin nicht diejenige, mit der Sie reden müssen. Versuchen Sie es bei Laura, Alans Schwester. Sie ist Anwältin.«
»Das weiß ich. Sie ist rein zufällig die Anwältin der Oakley-Schwestern. Ich bin mit den beiden zu ihr gefahren, und sie hat gesagt, sie hätte noch nie einen Fall wie diesen gehabt und bräuchte Zeit zum Recherchieren, doch ihre erste Einschätzung lautet, dass Jan keine rechtliche Grundlage für seine Forderungen hat. Wir wissen bisher nicht einmal, ob das Testament, auf das er sich beruft, echt ist. Wir haben es nicht gesehen, sondern lediglich eine beglaubigte Übersetzung, die Jan Ihrer Schwägerin Laura unter die Nase gehalten hat. Selbst wenn alles seine Richtigkeit haben sollte und selbst wenn das polnische Familienrecht sich vom britischen unterscheidet, reden wir hier von einem Testament, das vor dem Ersten Weltkrieg aufgesetzt wurde, in einem fremden Land unter der
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