Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
Wunsch hin stets in der Küche. Er sah keinen Grund, das winzige Esszimmer unordentlich zu machen und ihr die zusätzliche Arbeit des Aufräumens aufzubürden. Er durfte überhaupt nichts tun. Zu gerne hätte er im Haus mitgeholfen, im Gegensatz zu den meisten anderen Männern, doch sie war eisenhart. Dieses Haus war ihr Reich, ihr Leben. Draußen war er in seiner Welt. Hier drin war er in ihrer. Als sie am Küchentisch Platz genommen hatten, fragte sie, während sie ihm seine Portion auf den Teller gab:
»Wie ist es heute gelaufen, Vater?« Sie wusste Bescheid über den Fall Oakley, weil er es gewöhnt war, mit seiner Tochter über seine Arbeit zu sprechen. Üblicherweise ließ er die Gewalt und die unangenehmen Einzelheiten aus. Diesmal hatte er damit seine Mühe gehabt.
»Wie es zu erwarten war«, antwortete er.
»Diese Frau, Mrs. Button, hat ihre Aussage gemacht, ohne zu wanken, und die Sache liegt nicht mehr in meinen Händen, Liebes.« Augenblicklich relativierte er seine Worte:
»Ich habe Oakley beobachtet. Er sitzt da mit einem überlegenen Ausdruck im Gesicht und rührt sich nicht. Oakley hält uns alle zum Narren, fürchte ich. Ich spüre es in meinen Knochen.«
»Das sieht dir gar nicht ähnlich«, schalt sie ihren Vater.
»Nein, tut es nicht. Ich weiß sehr wohl, dass der Fall in den Händen der Anwälte liegt. Doch es passiert auch einem Polizisten hin und wieder, Liebes, dass er auf einen Halunken trifft, dessen Überführung ihm ganz besonders am Herzen liegt. Ich will William Oakley. Ich habe so sehr mit meinem Gewissen gerungen, dass selbst dein Priester zufrieden sein müsste. Aber die Wahrheit ist, dieser Oakley ist ein verschlagener, gerissener, berechnender, kaltblütiger Killer. Ich will diesen Schuldspruch hören, ich will ihn unbedingt hören, das gebe ich gerne zu! So, jetzt ist es heraus.« Er fürchtete, dass er zu heftig klang, deswegen unterbrach er sich und lächelte entschuldigend.
»Hör zu, ich klinge selbst wie ein Monster. Beachte meine Worte einfach nicht, Emily.« Sie hatte aufgehört zu essen und stocherte mit der Gabel auf dem Teller herum. Ohne den Blick zu heben, sagte sie:
»Es ist wegen mir, oder? Wegen dem hier.« Sie berührte die vernarbte Seite ihres Gesichts.
»Es ist, weil Mrs. Oakley verbrannt ist, deswegen willst du ihn unbedingt drankriegen.« Als sie endete, sah sie auf, und ihre blauen Augen starrten direkt in seine. Für einen Moment schwieg er schockiert. Hatte sie Recht? Es schien so offensichtlich, als sie es sagte, und doch war er sich nicht bewusst gewesen, dass das sein Grund war. Verstand seine Tochter ihn so viel besser als er sich selbst?
»Nein … nein, Emily, das ist es nicht«, brachte er schließlich heraus.
»Es ist nichts Persönliches. Nicht wie du denkst. Ich spüre es hier drinnen …«, er tippte sich auf die Brust,»… und hier«, er tippte sich an den Kopf.
»Aber vor Gericht kommt es darauf an, ob die Jury der Aussage dieser Haushälterin glaubt oder nicht. Gleichgültig wie dem auch sein mag, ich kann nichts mehr zu dieser Sache beitragen.«
Stanley Huxtable wohnte möbliert. Seine Wirtin war eine Frau mit strengen moralischen Prinzipien und der geradezu unheimlichen Fähigkeit, jede einzelne Flasche Porter zu entdecken, die in das Haus geschmuggelt wurde. Sie gestattete keine Kartenspiele, keine Musik (außer gemeinsam gesungenen Kirchenliedern) und keinen Besuch.
Aus diesem Grund hatte sich Stanley mit der Zeit angewöhnt, seine Abende in den Pubs der Stadt zu verbringen. Nicht, um sich zu betrinken – das hätte nicht nur seine Unterkunft, sondern auch seinen Job bei der Gazette gefährdet. Nur um, wie er jedem Interessierten erzählte, das eine oder andere fröhliche Gesicht zu sehen und ein wenig aufmunternde Konversation zu haben.
An diesem Abend saß er in einer Ecke des The George mit einem Pint Porter, einer Schweinepastete und einem eingelegten Ei. Stanley hatte noch nie einen Reporter kennen gelernt, der sich vernünftig ernährte.
Er hatte gerade mit seiner Pastete angefangen, als er eine Stimme hörte.
»Was dagegen, wenn ich mich dazusetze?« Es war der Kollege von der Agentur Reuters. Ohne auf Stanleys Antwort zu warten, stellte er seine eigene Pastete, ein Glas Whisky und ein Glas Wasser auf den Tisch und setzte sich. Sie aßen und tranken in kollegialem Schweigen. Schließlich bemerkte der Mann von Reuters:
»Diese Frau, diese Mrs. Button – sie hat der Anklage verdammt gute Munition geliefert. Wenn
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