Mord zur Bescherung
ihre Freunde besuchten, und alle Welt ging zum Essen und Trinken aus und drängelte sich in den Geschäften.
Insgesamt war die Atmosphäre im Green River festlich und freundlich. Und alle halfen in dieser Zeit liebend gern aus.
Sämtliche Mitarbeiter, vom Küchenpersonal bis zu den Zimmermädchen und den Vertretungen am Empfang, waren in vorweihnachtlicher Stimmung, obwohl sie über die Feiertage arbeiten mussten. Doppelte Stundenlöhne undein zusätzlicher freier Tag milderten ihren Schmerz ein wenig. Außerdem gab es ja am Weihnachtstag für die ganze Belegschaft noch ein großartiges Essen.
In solchen Zeiten mussten alle mit anfassen, Geschirr spülen, servieren und in der Bar Bier zapfen. Das galt auch für die Chefin. Sie hatte eigens einen besonders großen Vorrat an Gummihandschuhen fürs Geschirrspülen eingekauft. Bereit sein ist alles.
»Ich kann Neujahr kaum erwarten«, murmelte sie vor sich hin und stürzte sich dann ins Getümmel, allerdings erst, nachdem sie endlich etwas Besseres als ihre Strickmütze gefunden hatte, um ihre Haare darunter zu verstecken. Dieses Etwas war ein schwarzer Samtglockenhut, Teil eines Outfits aus den 1920er Jahren, unter dem sich der größte Teil ihres neonroten Haars, wenn auch leider nicht alles, verbergen ließ.
Erste Station: Maschinenraum.
In jedem Hotel, in jedem Restaurant ist die Küche zweifellos der Maschinenraum, das Allerheiligste, in dem der Chefkoch unumschränkter Herrscher ist.
Smudger Smith war dieser Chefkoch, der sein kleines Königreich voll im Griff hatte. Er war ein echter Profi, leidenschaftlich und aufbrausend und sehr stolz auf den Qualitätsstandard seiner Küche. Das bedeutete aber nicht, dass er nicht auch zu feiern verstand. Erst in der Woche zuvor hatte man ihn in inniger Umarmung mit einem Truthahn im Kühlraum gefunden. Als man ihn aus dem Schlummer aufweckte, hatte er irgendwas über ein cooles Mädchen aus Island gemurmelt.
Honey steckte nachdenklich den Kopf zur Küchentür herein. »Alles in Ordnung hier?«
Smudger schlug schwungvoll die Backofentür zu und funkelte sie an, als hätte sie ihn eines Mordes bezichtigt.
»Du willst doch nicht etwa andeuten, ich könnte hier nicht klarkommen?«
»Natürlich nicht.«
Sie wusste, dass sie jetzt besser gehen sollte, aber das aromatische Gemisch aus feinen Düften – Plumpudding, Glühweingelee und Mandelpaste – ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben.
»Truthahn schon fertig für den Ofen?« Die Frage war nur ein Vorwand dafür, noch nicht gleich wieder weggehen zu müssen.
Wieder tauchte das wütende Funkeln auf Smudgers rosigem Gesicht auf. »Warum? Zweifelst du an meinen Fähigkeiten? Willst du es lieber selbst machen?«
Ihre Stimme klang ein wenig schrill. »Natürlich nicht.«
Das Letzte, was sie jetzt tun wollte, war, die Leitung einer Restaurantküche zu übernehmen. Im richtigen Leben ging es keineswegs so glamourös zu wie bei den Fernsehköchen. Eine Restaurantküche, das war die Hölle auf Erden!
Sie trat einen Schritt zurück. Smudger machte einen Schritt vorwärts.
»Ich wollte nur mal sehen, ob es dir gutgeht«, sagte sie lahm.
»Natürlich geht es mir gut! Und wenn du jetzt so freundlich wärst, mich meine Arbeit machen zu lassen?«
Sie hielt es für das Beste, ihm Honig ums Maul zu schmieren. »Tut mir leid. Ich weiß ja, dass du unter Druck stehst. Noch ein, zwei Truthahnkeulen mehr, was?«
»Natürlich. Solange sonst alles in Ordnung ist.«
Er zwinkerte, als überlegte er, ihr etwas hinterherzuwerfen. Sie schaute schnell auf die Arbeitsflächen aus Edelstahl. Kein Hackebeil in Sicht. Das war gut.
Mit einem knappen Kopfnicken wandte er sich ab undging wie ein Wirbelwind wieder an die Arbeit. Töpfe und Pfannen klapperten, und das Küchenpersonal duckte sich.
Mit der Erwähnung der Truthahnkeulen hatte sie offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Nach beinahe einem Monat mit Firmenweihnachtsfeiern war der Gefrierschrank mit Keulen vollgestopft. Denn die meisten Speisegäste zogen das weiße Brustfleisch vor. Die tiefgefrorenen Truthahnbeine würden bis Mitte April locker reichen. Zunächst hatte sich das Personal gefreut, ab und zu ein, zwei Keulen mit nach Hause zu nehmen. Aber nach all den Weihnachtsfeiern war auch hier eine Grenze erreicht. Jetzt lehnten alle kategorisch weitere überzählige Keulen dankend ab. Man konnte ja nicht andauernd Truthahn-Curry kochen oder essen.
»Gut, dann lasse ich euch machen. Ich schau mal, dass ich für später
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