Mord zur Bescherung
sie weg.
Zugluft wehte herein, als die Tür hinter ihnen zufiel, und brachte die ordentlich auf einem Beistelltisch aus dem 18. Jahrhundert gestapelten Broschüren durcheinander.
Lindsey drehte die Augen gen Himmel, hoffte, dass sie nicht noch weiter wegflattern würden, und ging sie aufheben.
Als sie sich wieder aufrichtete, erspähte sie durch das Fenster neben dem Tischchen Mr. und Mrs. Emmerson. Die beiden standen vor dem Hotel und schienen sich zu streiten. Was immer das Ergebnis der Auseinandersetzung war, keiner von beiden sah sonderlich erfreut aus. Sie wandten einander den Rücken zu und marschierten in entgegengesetzte Richtungen davon. Lindsey war gerade vom Fenster zurück an den Empfangstresen gegangen, als Mrs. Finchley die Treppe herunterkam. Ihr Gesicht glühte rosig, und sie zog eine Duftwolke hinter sich her, die ziemlich stark und teuer roch.
»Ich muss noch mal weg«, sagte sie aufgeregt. »Frische Luft schnappen. Hier ist mein Schlüssel.«
Sie wäre beinahe mit Mary Jane zusammengestoßen, die sofort die Gelegenheit ergriff und sich vorstellte.
»Hallo. Ich bin Mary Jane Porter. Ich weiß nicht, ob Sie es schon gesehen haben, aber wenn Sie über Weihnachten hier sind, interessiert es Sie vielleicht, dass ich nach dem Abendessen am ersten Feiertag eine Veranstaltung plane, bei der Gespenstergeschichten vorgelesen und erzählt werden. Eigentlich sollte sie am zweiten Feiertag stattfinden, aber dann sind ja oft schon die ganze Festtagsstimmung und der Zauber verflogen, finden Sie nicht? Kann ich mit Ihnen rechnen?«
Die Frau schaute sie leicht verdattert an, als hätte man sie plötzlich in eine Wirklichkeit katapultiert, von der sie bis dahin nicht einmal etwas geahnt hatte.
»Gespenstergeschichten?«
»Ja. Weihnachtliche. Die meisten sind von Autoren aus Bath und Umgebung, zum Beispiel von Patricia Pontefract, und natürlich lesen wir auch ein paar amerikanische Geschichten. Das wird ein großer Spaß. Ich habe sogar einen Sponsor, einen Verlag aus Bath, hauptsächlich, weil eine seiner Autorinnen eine ganze Sammlung von Gespenstergeschichten geschrieben hat …«
Mrs. Finchley erstarrte.
»Ein Verlag aus Bath? Und Sie wollen eine Geschichte von Patricia Pontefract vorlesen?«
Mary Jane stimmte energisch zu. »Genau. Also, kommen Sie?«
Die Frau nickte. »Wenn ich kann. Ganz bestimmt.«
Lindsey hatte alles beobachtet. Mrs. Finchley wollte unbedingt aus dem Haus. Mary Jane hatte sie daran gehindert, wenn auch nur für kurze Zeit.
»Unerwiderte Liebe«, verkündete Mary Jane, als sie ihre Tasche auf den Empfangstresen stellte und ihren Schlüssel entgegennahm. »Im Leben dieser Frau gibt es einen Mann, der noch nicht einmal gemerkt hat, dass sie existiert.«
»Woher weißt du das denn? Hast du ihr aus der Hand gelesen?«
Mary Jane war eine große Freundin von Tischrücken, Astrologie und anderen seltsamen Dingen. Handlesen war erst kürzlich dazugekommen.
»Nein.« Mary Jane schüttelte den Kopf und nahm ihre vollgestopfte Tasche wieder an sich, ein schrill pinkes Teil, das an den Ecken grüne Troddeln hatte. »Keine Frau würde so viel teures Parfüm benutzen, wenn sie nicht ihr Auge auf einen Mann geworfen hat. Und Mannomann, das war sündhaft teures Parfüm!«
Samantha Brown, die offiziell in Zimmer 16 übernachtete, aber von David in sein Zimmer befohlen worden war, weil er sich von ihr ein besonderes Weihnachtsgeschenk erhoffte, kam weinend die Treppe heruntergestürzt.
Als Lindsey das sah, eilte sie sofort hinter dem Tresen hervor.
»Ist was passiert?«, fragte sie. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Samantha Brown schüttelte den Kopf und drückte sich ein Papiertaschentuch an die Nase, was ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit Miss Piggy verlieh.
»Samantha!«
Das hatte David Longborough gerufen, der ihr folgte und mit seinen langen Beinen zwei Stufen auf einmal nahm, wobei ihm sein kastanienbraunes Haar in die Stirn fiel.
Lindsey musterte ihn kritisch. Typen wie den kannte sie. Er hatte einen Hauch von Eton, dieses lässige Selbstbewusstsein, das einem nur eine teure Privatschule vermittelte. Sie spürte jedoch, dass sein Charakter noch eine andere Seite aufwies. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass er auch den schnellen Witz eines gerissenen Cockney-Jungen hatte.Seltsam, dass er in einem Verlag arbeitete. Politik oder die Börse hätte viel besser zu ihm gepasst.
Samantha Brown schüttelte die Hand ab, die sie festzuhalten versuchte. »Lass mich in Ruhe, David.
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