Mord zur Bescherung
unruhig hin und her rutschten und nervöse Blicke austauschten. Mrs. Finchley hatte ihre Handtasche an die Brust gepresst und starrte auf ihre Füße. Longborough, der mit seinem Angriff auf Dohertys Autorität abgeblitzt war, blickte nun mit leeren Augen vor sich hin. Ihm gegenüber saß Samantha Brown und sah so ängstlich aus, als würde sie jeden Augenblick unter Anklage gestellt.
Bevor die Gruppe hereingekommen war, hatte Honey dieKaffeemaschine hinter der Bar angeworfen. Alle hatten ein Getränk vor sich stehen, manche Kaffee, andere Wasser.
Honey hielt sich am Ende des Tresens auf. Sie wollte Doherty etwas sagen.
Ihre Blicke trafen sich. Er verstand ihre stumme Aufforderung und kam zu ihr herüber.
Sie sprach leise. »Mr. Scrimshaw ist nicht zur Feier hier gewesen. Sein Bett war völlig unberührt.«
»Hat jemand versucht, herauszufinden, wo er war?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber sie haben alle so getan, als wäre er da. Niemand schien sich Sorgen um ihn zu machen.«
Der Anblick des Theaterpferdes, das über die Lehne des Chesterfieldsofas lugte, lockerte die angespannte Atmosphäre ein wenig auf. David Longborough und die Frau mit dem schwarzgefärbten Haar saßen nachdenklich rechts und links vom Pferdekopf. Ab und zu schaute die Frau auf die großen Zähne des Pferdes und versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Tier zu bringen.
Honey nahm sich nicht die Zeit, Doherty zu erklären, wie das Pferdekostüm hier gelandet war, aber sie entschuldigte sich in Galoppers Namen. »Er ist irgendwo verlorengegangen. Nachher kommt ein Taxi und holt ihn ab. Wenn sein Grinsen und die Glubschaugen dich bei der Arbeit stören, lasse ich ihn gleich wegbringen.«
»Ich bin an solche Anblicke gewöhnt. Ich habe bei Verhören schon Rechtsanwälte im Zimmer sitzen gehabt, die nicht viel anders aussahen.«
Die Frau mit den gefärbten schwarzen Haaren konnte nun nicht mehr weiter wegrücken. Sie erkundigte sich, ob das Pferd unbedingt da bleiben müsse.
»Ja«, antwortete Honey. » Galopper ist ein Indiz in einem Fall, in dem es um das Eigentum eines Theaters geht.«
Sie wusste, dass diese Anmerkung von Doherty mit einem fragenden Blick quittiert werden würde. Sie schaute zu ihm hin. Jawohl! Da war die hochgezogene Braue!
»Ich erkläre dir das später«, versprach Honey. »Immer schön eins nach dem anderen. Ja?«
»Gut. Ich bleibe bei meinem Fall. Wann kommt denn der coole Casper und drängelt mich?«
»Ich habe ihn informiert.«
Casper St. John Gervais, der Vorsitzende des Hotelfachverbands von Bath, war dafür verantwortlich, dass Honey die zweifelhafte Ehre hatte, die Verbindungsperson zur Kriminalpolizei zu sein.
Immer wenn ein schweres Verbrechen geschehen war, trat Casper auf den Plan wie ein moderner Ritter von König Artus’ Tafelrunde, wild entschlossen, die Täter zu finden und zu vernichten – oder in der heutigen Zeit eher hinter Gitter zu bringen. Seiner Meinung nach durfte nichts, aber auch gar nichts den Ruf der schönsten Stadt der Welt beschmutzen.
Vor einiger Zeit hatte man Bath auf die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Casper fand dieses Lob ein wenig zu halbherzig. Für ihn war Bath das Zentrum des Universums.
Er war sehr überrascht gewesen, als sie ihn anrief.
»Honey! Sie wollen mir sagen, wie sehr Sie meine Weihnachtsdekorationen bewundern, und uns einen erneuten Besuch abstatten? Stimmt’s?«
»Nicht ganz.«
Sie hatte vor zwei Tagen bei ihm vorbeigeschaut und war natürlich von seinem ästhetisch hervorragenden Weihnachtsschmuck sehr beeindruckt gewesen. Alles, von den Seidenbahnen, die über die Fenster drapiert waren, bis zu den Engeln, die wie eine himmlische Heerschar im Treppenhausschwebten, war in subtilen Schattierungen von Violett, Mauve und Silber gehalten.
Im Gegensatz dazu wirkten die Weihnachtsdekorationen im Green River Hotel sehr traditionell und fertig gekauft. Honeys hauptsächlich roter und grüner Raumschmuck war überall dorthin drapiert, wo eine Lücke zu füllen war, und sie beabsichtigte damit auch keine ästhetische Aussage.
Casper machte dagegen nichts lieber als ästhetische Aussagen. Außerdem liebte er maßgeschneiderte Kleidung, kaffeebraune junge Männer und Uhren.
Kurz bevor sie in die Bar ging, hatte sie rasch bei Casper angerufen und ihm vom Mord an Clarence Scrimshaw berichtet.
Er hatte einen Augenblick lang die Luft angehalten, und kurz dachte sie, er würde gleich zu weinen anfangen. Weh mir! Das sagte er
Weitere Kostenlose Bücher