Mord zur Bescherung
wie Gespenster aus, grau und schwer zu erkennen. Das Einzige, was man sehen konnte, waren Dinge, die glitzern – wie Lametta, Weihnachtsdekorationen und Leute mit Schmuck … besonders mit großen Klunkern … da war auch ein sehr großes Schmuckstück dabei, das jemand trug … Merkwürdig, wie gut man solche Dinge durch den Nebel sehen kann.«
Die offensichtlich freundliche Unterhaltung zwischen den beiden war Ariadnes Adleraugen nicht entgangen.
»Tallulah! Ich hätte Madams Haar gern noch vor Weihnachten fertig für die Spülung, bitte!«
»Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, woanders zu arbeiten?«, murmelte Honey.
Tallulah flüsterte ihr die Antwort aus dem Mundwinkel zu: »Sehr oft.«
Die Kundin mit dem dicken Bauch und der nicht existierenden Taille war von ihrem Stuhl aufgestanden. Mit immer noch triefendem Haar kam sie herübergewatschelt, und ihre Patschhand landete auf Honeys Schulter. Sie strahlte, als hätte sie gerade in der Lotterie gewonnen.
»Ich habe eben begriffen, wer Sie sind. Sie sind Mrs. Driver, die Verbindungsperson vom Hotelfachverband zur Kripo. Ich nehme an, Sie arbeiten in diesem Mordfall mit der Polizei zusammen. Ich bin Freda Weller. Ich führe das Rose Posy Bed and Breakfast in Bathwick. Hoch erfreut, Sie kennenzulernen.«
Freda Weller teilte ihr dann noch mit, dass ihre Reservierungen für den nächsten Sommer schon höchst erfreulich aussahen und aus aller Welt eintrudelten. In Honeys Ohren hörte sich das an, als wäre Freda Weller die erfolgreichste Hotelbesitzerin in ganz Bath – dabei führte sie nur eine Frühstückspension.
Dass nun auch die anderen Kundinnen, die das Gespräch mitgehört hatten, Fragen stellen würden, war klar. Honey antwortete routiniert und erklärte, dass sie nur bei Fällen wie diesem die Verbindungsperson zur Kripo war.
Inzwischen war ihr Haar fertig gespült, gefönt und frisiert, und Honey wollte nur noch weg. Sie zahlte schnell und höchst erfreut. Ihr Haar sah viel besser aus als sonst, schimmernd, üppig, kein graues Haar weit und breit. Es sprach wirklich einiges dafür, sich die Haare von einem Profi färben zu lassen.
Honey gab Tallulah fünf Pfund Trinkgeld. »Und noch ein guter Rat – kündigen Sie, und suchen Sie sich eine nettere Chefin.«
Bereits unten an der Treppe angelangt, fiel ihr ein, dass sie die zweite Tüte mit den Würsten oben vergessen hatte. Als sie wieder in den Salon trat, bemerkte sie, dass die Tür zum Kaffeezimmer geschlossen war. Hinter der Glasscheibe sah sie Tallulah mit hochrotem Kopf und Ariadne, die sichtlich vor Wut bebte. Was immer dort gesagt wurde, war bestimmt nicht nett, aber es ging sie nichts an.
Honey blieb noch ein wenig draußen auf dem Treppenabsatz stehen. Sie war sich sicher, dass Tallulah schon bald herauskommen und in Richtung Damentoilette gehen würde.
Sie hatte recht.
»Tallulah?«
Das Mädchen war den Tränen nah.
»Geht es Ihnen gut?«
Die junge Frau senkte die Augen und nickte. »Mir geht’s gut. Es ist nur die da drin, die hat mich ausgefragt.«
»Genau wie ich vorhin. Tut mir leid.« Eigentlich sollte das ein Scherz sein.
Tallulah sprach leise weiter: »Das ist es ja eben. Sobald sie gehört hat, dass Sie mit der Polizei zusammenarbeiten, ist sie völlig ausgerastet. Sie hat mir gesagt, ich hätte gefälligst über nichts zu sprechen, was da drüben passiert. Über nichts. Absolut gar nichts.«
Siebzehn
Obwohl ihre Haare nun wieder normal aussahen, behielt Honey den Hut auf, denn es war sehr kalt.
Tallulah, die Auszubildende des Salons, hatte sie beeindruckt, Ariadne ebenso, wenn auch auf andere Weise. Warum hatte sie Tallulah angehalten, mit ihr nicht über die Ereignisse im Gebäude gegenüber zu sprechen?
Kaum aus dem Haus getreten, schaute sie auf die andere Straßenseite, um zu sehen, ob Doherty noch da war. Aber man sagte ihr, dass er bereits fortgegangen sei.
Sie hinterließ eine Nachricht auf seinem Handy und machte sich dann auf zum Einkaufen. Sie rief auch noch bei Lindsey an, weil sie unbedingt herausfinden wollte, wie sie mit dem Professor zurechtkam.
Keine Antwort, nur die Aufforderung, eine Nachricht zu hinterlassen. Verschiedene besorgniserregende Vorstellungen huschten Honey durch den Kopf. Lindsey und der Professor in leidenschaftlicher Umarmung. Lindsey und der Professor, die sich ein Zimmer in einem Motel nahmen. Die waren billig, und obwohl die Besitzer immer erklärten, dass sie die Zimmer nicht stundenweise vermieteten, konnten sie ja
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