Mord zur Bescherung
war – wollte ja sichergehen, dass alle anderen aus dem Weg waren, wenn er zur Tat schritt. Zeugen waren ihm sicher nicht sonderlich willkommen.
Vierundzwanzig
Obwohl die Polizei, nachdem Honey Doherty mitgeteilt hatte, dass Scrimshaw wertvolle alte Bibeln gesammelt hatte, die Wohnung und das Büro des Verlegers noch einmal gründlich durchsucht hatte, hatte man keine alten Bibeln oder Ähnliches gefunden.
Ehe die Dunkelheit hereinbrach und es noch heftiger schneite, machte sich Honey zum allerletzten Mal auf den Weg zum Cobblers Court. Ihr Haar war wieder normal, und sie hatte das Gefühl, sich bei den Leuten von Hummeln unterm Hut bedanken zu müssen. Sie würde ihren Dank mit Pralinen zum Ausdruck bringen.
Gewappnet mit zwei Schachteln von Thorntons bester Weihnachtsmischung stieg sie die knarrende Treppe hinauf.
Die Luft im Salon war schwer vom Geruch des Festigers und von der Hitze, die in Wellen von den Superhaartrocknern herüberwehte. Hummeln unterm Hut machte seinem Namen alle Ehre, es brummte im Laden nur so vor Aktivität. Sämtliche Frisierstühle waren besetzt; geschäftige Hände führten geschickt in der einen Hand einen Föhn, in der anderen eine Rundbürste.
Einen Augenblick hielt Honey inne und bewunderte die Fingerfertigkeit, mit der die jungen Frauen ihre Werkzeuge handhabten. Es sah alles so einfach aus. Sie hatte sich einmal genauso eine Rundbürste gekauft, weil sie dachte, das könne sie auch. Aber sie war nicht im Entferntesten an die Beweglichkeit dieser Handgelenke und an die perfekte Synchronisierung zwischen wirbelnder Bürste und brummendem Föhn herangekommen.
Die rosigen Gesichter, die erschrocken zu ihr herumfuhren, als sie den Salon betrat, verrieten alles. Bitte nicht noch mehr Arbeit! Wir sind fertig, fix und fertig!
»Ich bin nur gekommen, um danke schön zu sagen«, verkündete sie laut. »Meine Haare sind wieder toll. Frohe Weihnachten Ihnen allen!«
Zunächst wollte sie Ariadne, der Salonbesitzerin mit dem stählernen Blick und der klappernden Frisur, eine Schachtel Pralinen überreichen. Ariadnes Überraschung wich rasch wieder ihrer schlechtgelaunten Effizienz. Sie hatte eine Bürste in der einen und einen Föhn in der anderen Hand. »Legen Sie sie bitte da hin, ja?«
Die vielfarbigen Holzperlen an den Enden von Ariadnes schulterlangem Haar klapperten laut, als sie mit dem Kopf auf eine freie Stelle auf dem Tisch neben einem Stapel Frisörzeitschriften deutete.
Undankbare Kuh!, dachte Honey, aber im besten weihnachtlichen Geist beschloss sie, dieses Verhalten nur auf die berühmte raue Schale um den weichen Kern zurückzuführen.
»Danke. Keine Zeit zum Reden. Zu viel zu tun.« Ariadne trocknete weiter die Haare ihrer Kundin.
Tallulah, der freundliche Lehrling, färbte gerade auf ihrem Platz am Fenster einer Frau Strähnen und verpackte das Haar in Alupäckchen. Dunkle Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie eine Weile nicht sonderlich gut oder nicht sehr viel geschlafen hatte. Na ja, all die Weihnachtsfeiern, viel zu tun im Salon und dann noch von Ariadne angeschnauzt werden, da war es ein Wunder, dass sie noch nicht zusammengeklappt war. Die dunkelblauen Augen der jungen Frau leuchteten auf, als sie die Schachtel Pralinen sah.
»Oh, Mrs. Driver …!«
Es war eine angenehme Überraschung, dass sich Tallulahtatsächlich noch an ihren Namen erinnerte. Es war eine schöne Vorstellung, dass sie wohl Eindruck gemacht hatte.
»Danke, dass Sie mir mein Haar zurückgegeben haben, Tallulah.« Sie reichte ihr die Schachtel.
Tallulah quietschte entzückt. »Gern geschehen. Aber das war ja nicht nur ich«, fügte sie schüchtern hinzu, obwohl sie sich, ihrem Erröten nach zu urteilen, sehr über das Lob freute.
»Momentchen. Ich möchte Ihnen gern eine Weihnachtskarte geben«, sagte sie und legte Pinsel und Farbtopf weg.
»Das ist wirklich nicht nötig. Ich war nur so dankbar, dass Sie mir helfen konnten.«
»Kein Problem. Ich will die Karte nur erst noch unterschreiben. Warten Sie eine Sekunde, bis ich einen Stift gefunden habe.«
Anscheinend mangelte es diesem Salon an Stiften. Während Tallulah auf der Suche war, wartete Honey. Und wieder wanderte ihr Blick zu den Bürofenstern im Gebäude gegenüber.
Es waren Flügelfenster mit Steinpfeilern. Die Scheiben sahen pechschwarz aus, was allerdings keine große Überraschung war. Das Gebäude war leer. Man hatte den Angestellten verboten, es zu betreten, bis die Polizei es ihnen ausdrücklich wieder erlaubte.
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