Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord zur Bescherung

Mord zur Bescherung

Titel: Mord zur Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
Vom Netzwerk:
funktionierte, war Clarence Scrimshaw zufrieden.
    Das Knarren von Dielen im Stockwerk über ihr ließ Honey zusammenzucken. Ihr lief es eiskalt über den Rücken. Jetzt waren Entscheidungen zu treffen. Sollte sie fliehen oder sich wehren? Letzteres wäre entschieden die schlechtere Idee. Sie konnte wesentlich besser rennen als kämpfen, aber eigentlich keines von beiden besonders gut.
    Verschiedene Vermutungen jagten ihr durch den Kopf. Erstens: Da oben schlurfte ein Wahnsinniger herum. Bei dieser Vorstellung überkam sie eine Art Krampf. Ihre Zehen rollten sich ein, und es schien, als wollten die Füße von ganz allein zum Ausgang marschieren.
    Zweitens: Der Eindringling war jemand, der ein Recht darauf hatte, sich hier aufzuhalten, der aber die Polizei nicht erschrecken wollte. Es konnte verschiedene völlig harmlose Gründe dafür geben. Der harmloseste war, dass vielleicht jemand seine Tupperdose vergessen hatte und vermeiden wollte, dass sich ein schlaffes Salatblatt über die Feiertage in ekligen Schleim verwandelte. Schleim und Schimmel, das macht die beste Vesperdose unbrauchbar.
    Obwohl es so düster war, konnte Honey links von sich eine Treppe ausmachen. Die Folgerung war sonnenklar: Da oben tappte jemand herum, also musste sie da hoch.
    Sie verspürte ein leises Beben in der Brust, holte tief Luft, streckte dann die Hand aus und legte ihre Finger auf den Pfosten des Treppengeländers.
    Sie stellte sich vor, wie viele Hände ihn so glattpoliert hatten. Viele. Hunderte. Tausende. Dann drängte sich ein anderer Gedanke auf: Vielleicht hatte ihn nur eine einzige Hand berühren müssen, dass er sich warm anfühlte. Die Hand des Eindringlings?
    Honeys Phantasie lief auf Hochtouren. Blut war warm. Da schaltete sich ihr gesunder Menschenverstand ein. Blut war auch klebrig. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie den Handschuh auszog und das Holz berührte. Zu ihrer großen Erleichterung war der Pfosten ganz glatt. Kein klebriges Blut.
    Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, zählte bis zehn und holte Luft. »Dann mal los.« Sie setzte einen Fuß auf die unterste Stufe.
    Die knarrte, zumindest schien Honey das so. Nein, beschloss sie. Das Geräusch war zu leise. Zu weit weg.
    Mit weit aufgerissenen Augen schaute sie zum oberen Teil der Treppe. Nicht dass sie so weit hätte sehen können. Da oben war es stockfinster. Aber das Geräusch? Ihr Fuß konnte das nicht verursacht haben. Es musste der Eindringling sein, der sich oben aufhielt.
    Die Schritte gingen weiter.
    Ihr kam ein trüber Verdacht, der sich aus der Anwendung von Murphys Gesetz auf ihr Leben ergeben hatte. Das Gesetz besagte: Wenn das Allerschlimmste passiert, dann passiert es Honey Driver! Die Schritte kamen näher, bewegten sich auf die Treppe zu.
    Sie wich zurück, wollte sich eng an die Holztäfelung drücken und in der Dunkelheit verstecken, als Murphys Gesetz zuschlug. Eine Stelle im Holzpfosten war nicht so glatt. Ein Splitter bohrte sich in Honeys Hand.
    »Aua!« Sie konnte nicht anders.
    »Hallo! Ist da jemand?«
    Die Stimme kam von oben – es war eine Frauenstimme.
    Zunächst fielen Honey keine berüchtigten weiblichen Wahnsinnigen ein – erst ein paar Sekunden später erinnerte sie sich an den Namen Lizzie Borden 10 . Aber da hatte sie schon ganz erleichtert geseufzt und sich auf die Taschenlampe der Frau zubewegt. Weit und breit war keine Axt zu sehen.
    »Ich dachte nicht, dass jemand hier ist.«
    »Dito. Wer sind Sie?« Der Ton war aggressiv und ließ Honey unwillkürlich an Ariadne denken.
    Honey schaute über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass nicht die rüde Frisörin von gegenüber ihr gefolgt war.
    »Es sollte niemand im Gebäude sein. Ich habe von drüben ihre Taschenlampe gesehen und bin hergekommen, um der Sache nachzugehen.«
    »Sie reden, als wären Sie von der Polizei. Sind Sie von der Polizei?«
    »Nicht ganz, aber ab und zu arbeite ich mit der Polizei zusammen und …«
    »Dann haben Sie hier auch nichts zu suchen.«
    Das grelle Licht der Taschenlampe schien Honey direkt ins Gesicht. Um es ein wenig abzuschirmen, hob sie die Hand auf Augenbrauenhöhe. Sie stellte fest, dass sie vis-à-vis von einem ausladenden Busen stand.
    »Das Gleiche gilt auch für Sie.«
    Die Frau hatte krauses rotes Haar und Pferdezähne, und sie klirrte bei jeder Bewegung. Das lag an den drei Halsketten, die sie trug. Die waren alle unterschiedlich, hatten aber eines gemeinsam: Die Kettenglieder waren groß wie Untertassen. Daran hingen große

Weitere Kostenlose Bücher