Mord zur Bescherung
war ja längst überfällig.«
»Haben Sie ihn also umgebracht?«
»Wie ich schon gesagt habe, der Gedanke ist mir ab und zu durch den Kopf gegangen, aber ich war nicht hier, umihn in die Tat umzusetzen. Deswegen schleiche ich jetzt hier herum, wie Sie sagten.«
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie herumschleichen.«
»Aber angedeutet.«
»Können Sie beweisen, wo Sie sich am Abend seines Todes aufgehalten haben?«
»Muss ich das?«
Langsam war es Honey leid, auf ihre Fragen nur wieder Fragen als Antwort zu bekommen. Sie überlegte, dass diese Frau, wenn sie irgendwas mit dem Mord zu tun gehabt hätte, sicher jetzt nicht hier wäre und nach einem Vertrag suchen würde. Den hätte sie zum Tatzeitpunkt mitgenommen, nachdem sie Clarence Scrimshaw zuvor ein Glas Sherry mit einer Prise Arsen eingeflößt hatte. Dann wäre er bestimmt ruhig geblieben, während sie nach den Unterlagen suchte.
Warum man jemanden vergiftete, dann erwürgte und schließlich erstach, war natürlich nicht ganz einfach zu erklären. Es musste einen Grund dafür geben. Der einzige, der Honey einfiel, war, dass Ms Pontefract vielleicht ein bisschen sauer gewesen war, als sie rein gar nichts gefunden hatte. Blindwütig hatte sie ihren Zorn an der Leiche abreagiert. Das war ziemlich an den Haaren herbeigezogen, und Honey hatte keinerlei Beweise, aber im Augenblick fiel ihr nichts Besseres ein.
»Die Polizei will sicher wissen, wo Sie wohnen, während Sie sich in Bath aufhalten.«
Patricia Pontefract mahlte ein wenig mit den Kiefern und knipste ihre Taschenlampe aus. Die alte viktorianische Gaslaterne spendete genug Licht.
»Ich habe bei meiner Nichte übernachtet. Aber eine Nacht hat mir gereicht. Sie ist sehr aufbrausend und schlechtgelaunt.«
Honey kam eine kühne Vermutung. »Sie hat nicht zufällig den Frisiersalon gegenüber, oder?«
Das Licht der Gaslaterne erhellte die Gesichtszüge der älteren Dame. Darauf war Überraschung, aber auch Misstrauen zu sehen. Honey war sehr zufrieden mit sich. Sie schien richtig geraten zu haben.
»Ariadne. Meine Nichte«, antwortete Patricia Pontefract. »Sie hat sehr viel zu tun. Ich möchte nicht, dass Sie dahin gehen und ihr Fragen stellen.«
Honey schüttelte verächtlich den Kopf. »Das haben nicht Sie zu entscheiden, meine Liebe.«
Die ausladende Dame runzelte missbilligend die Stirn. »Und was soll das jetzt heißen?«
»Die Polizei möchte sicher so einiges von Ihnen wissen. Ihre Nichte Ariadne ist unter Umständen die einzige Person, die Ihnen ein Alibi verschaffen kann. Und deswegen wird sie wahrscheinlich auch vernommen.«
Die Augen der Frau verengten sich zu schmalen Schlitzen. Honey spürte, wie sie sich zu winden begann. Von diesem Blick durchbohrt, kam sie sich vor wie ein Schmetterling, den man mit einer Nadel auf grünen Filz aufspießte.
»Ich habe nichts zu verbergen«, blaffte Ms Pontefract aufgebracht.
»Gut«, sagte Honey und verstaute ihr Telefon mit großer Geste wieder in der Tasche. »Ich nehme also an, dass Sie über die Feiertage bei Ihrer Nichte bleiben?«
»Vermuten Sie, was Sie wollen. Ich wohne im Green River Hotel.«
Honey merkte, wie ihr die Kinnlade heruntersackte. »Aus irgendeinem besonderen Grund?«
»Was kümmert Sie das?«
»Ich kenne das Hotel.«
»Und?«
»Ich habe mich nur gefragt, weshalb Sie sich für das Green River Hotel entschieden haben.«
Honey stand da und merkte, wie nervös sie war. Sie fühlte sich wie ein Hund, der nach Lob gierte. Sie wollte so gern hören, dass jemand ihr Haus empfohlen hatte. Bei solchem Lob wurde ihr immer ganz warm ums Herz.
»Aus keinem besonderen Grund. Das Hotel ist nichts Außergewöhnliches. Aber sie haben da eine Veranstaltung. Am ersten Feiertag werden Gespenstergeschichten vorgelesen und erzählt. Eine davon habe ich geschrieben. Ich glaube, die Frau, die diese Sache organisiert hat, ist Hellseherin. Ich würde sie gern kennenlernen. Ich interessiere mich für paranormale Phänomene. Wer weiß«, fügte sie noch hinzu und fletschte ihre Pferdezähne, »vielleicht können wir den alten Clarence heraufbeschwören. Dann könnte ich ihn fragen, wo mein Vertrag ist.«
Fünfundzwanzig
Im Green River Hotel waren Türen und Fenster fest verschlossen, um die kalte Winterluft draußen zu halten. Drinnen war alles urgemütlich. Der Duft von Glühwein, üppigem Pudding mit Trockenfrüchten und frischen Mandarinen vermischte sich zu einem wunderbar weihnachtlichen Aroma.
Honey ließ die Augen über den
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