Mord zur besten Sendezeit
Beine elegant übereinandergeschlagen.
Der Blick auf seine langen Beine brachte Honey die Spinnen in dem alten Außengebäude in Erinnerung. Als er sie aufforderte, neben ihm Platz zu nehmen, setzte sie sich so weit wie möglich in die andere Ecke, so dass seine und ihre Knie ein Abstand von mindestens einem halben Meter trennte. Der Hut mit der breiten Krempe und der roten Seidenrose – die nun schon ein wenig welk wirkte – lag zwischen ihnen.
»Sie haben wirklich all diese Leute kennengelernt?« Honey nickte in Richtung der Fotos.
»O ja, das habe ich! Ganz wunderbare Menschen, alle miteinander!«
Wie die Leute, die er so verehrte, war Glenwood Halley überwältigend theatralisch. Er seufzte wie ein liebeskranker Teenager.
»Arabella war ein Engel. Ich habe sie sooo bewundert! Wie traurig. Wie überaus, überaus traurig.«
»Es klingt ganz so, als hätten Sie sie sehr geschätzt – ich meine, nicht nur geschäftlich.«
»Warum nicht? Sie war wunderschön. Menschen wie sie haben eine beinahe elektrisierende Aura, finden Sie nicht auch?«
»Eigentlich nicht.«
Aus irgendeinem unerklärlichen Grund musste sie an einen Toaster denken. Sie musterte die Fotos gründlich. Keiner der Dargestellten glich nur im Entferntesten einem Toaster.
Die meisten erkannte sie sofort. Ein Porträt zeigte die kürzlich verstorbene Mrs. Arabella Rolfe, und das kam Honey seltsam vor.
»Wenn ich mir eine Frage erlauben darf, Glenwood, mir ist aufgefallen, dass Arabella Nevilles Bild an der Wand hängt, Sie aber Cobden Manor bis jetzt noch nicht verkauft haben. Hat sie das Anwesen etwa über Sie erworben?«
Seine Augen verengten sich. Er schien in der Defensive zu sein. »Ja, und sie hat auch kürzlich durch meine Vermittlung eine Wohnung am Royal Crescent gekauft.«
»Sie sagen, ›sie hat die Wohnung gekauft‹. Soll das heißen,dass die Wohnung mit Arabellas Geld und nicht mit dem ihres Mannes bezahlt wurde?«
Glenwoods Gesicht verschloss sich. »Ich kann Ihnen unmöglich Einzelheiten über die finanziellen Verhältnisse meiner Kunden verraten. Das fällt unter die Vertraulichkeit.«
Honey räusperte sich. »Glenwood, diese Frage wird Ihnen höchstwahrscheinlich die Polizei auch stellen. Für Sie und die Kunden auf Ihrer Liste wäre es unter Umständen günstig, wenn ich Steve Doherty die Fakten mitteilen könnte. Ich meine, wie würden Ihre Kunden reagieren, wenn die Polizei Sie auf die Wache bestellt, damit Sie dort weitere Fragen beantworten?«
Er reagierte sofort und mit einer sehr knappen Antwort. »Privatgelder. Aus einer privaten Quelle. Es war keine Hypothek oder dergleichen notwendig.«
»Was meinen Sie mit privat?«
Er überlegte offenbar, ob er um die Wahrheit herumreden oder sie offen sagen sollte. Das war sicherlich abzuwägen. Dann entschied er sich, Honey alles zu sagen, was er wusste.
»Das weiß wohl Arabellas Rechtsanwalt, doch der kann Ihnen wahrscheinlich noch weniger sagen als ich. Schweigepflicht und dergleichen.«
Honey spielte mit der großen Seidenrose an ihrem Hut. Es war sehr interessant, dass das Geld für den Kauf der Wohnung aus einer ›privaten Quelle‹ stammte. Vielleicht hatte Glenwood Halley die Wahrheit gesagt. Man weihte wohl den Immobilienmakler nicht in alle Einzelheiten der Finanzierung ein. Der Rechtsanwalt dagegen musste Bescheid wissen.
»Wer war Arabellas Rechtsanwalt?«
Glenwood ignorierte die Frage. Mit glänzenden Augen starrte er anbetend auf Arabellas süßliches Porträtlächeln.
»Sie war so wunderschön. Wussten Sie, dass man sie für das Big-Brother-Haus in Erwägung gezogen hatte?«
»Nein.« Honey erzählte ihm nicht, dass sie auf Big Brother verzichten konnte, denn schließlich hatte sie jeden Tag ihreeigene Reality-Show im wirklichen Leben. Sie hatte ja ein Hotel! Und da kamen Gott und die Welt durch die Tür gewandert. Und benahmen sich manchmal gut, manchmal schlecht, manchmal irgendwie dazwischen.
Glenwood seufzte tief. »Nach unserer ersten Begegnung, als sich unsere Blicke trafen und sie mir die Hand geschüttelt hatte, habe ich jede Sendung aufgenommen, in der sie auftrat.«
Honey schaute nach, ob vielleicht an der Sofalehne eine Spucktüte zu finden war, wie sie im Flugzeug bereitgestellt werden. Dann fiel der Groschen. Glenwood hatte Arabella schon vor längerer Zeit kennengelernt, lange bevor sie die Wohnung im Royal Crescent gekauft hatte. Es musste wohl einige Jahre her sein, wenn er alle ihre Fernsehsendungen aufgezeichnet
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