Mord zur besten Sendezeit
Baumwurzeln an. Er schaute Honey an. Kein Ton, keine Bewegung, nur dieser Blick.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Victor?«
»Ja. Sind Sie von der Polizei?«
»Ich bin Verbindungsperson vom Hotelfachverband zur Kripo.« Sie überlegte, ob sie ihm noch mehr erklären sollte, und entschied sich dann dafür. »Ich habe die Leiche gefunden. Keine angenehme Erfahrung. Die Sache betrifft mich also sozusagenpersönlich. Ich möchte wirklich herausfinden, wer es war und warum er es getan hat.«
Wenn er noch Zweifel gehabt hätte, ob er sich kooperativ zeigen sollte, hatte sie die ausgeräumt, indem sie ihm erzählt hatte, dass sie die Leiche gefunden hatte. Die Leute gerieten immer völlig aus der Spur, wenn sie mit jemandem sprachen, der so nah an einem Verbrechen gewesen war.
»Schauen Sie mal, gute Frau«, sagte er, und seine Augen waren tief und dunkel. »Ich weiß nichts darüber, und ich habe es nicht getan.«
»Das habe ich ja auch nicht behauptet.«
»Warum sind Sie dann hier?«
»Es geht das Gerücht, dass Arabella von Ihnen mehr als nur Ratschläge zur Fitness bekommen hat.«
Er ließ die Arme sinken. Die Muskeln waren nun nicht mehr angespannt, und auch die Venen traten nicht mehr hervor. Sein Selbstbewusstsein schien ebenfalls erheblich geschrumpft zu sein.
»Sehen Sie mal, da war nichts dabei. Sie ist zu mir gekommen und hat mich um ein paar außerplanmäßige Aktivitäten gebeten, und den Wunsch habe ich ihr erfüllt. Zum Teufel, sie war nicht die Erste, die sich mir auf dem Silbertablett angeboten hat. So ist das nun mal mit älteren Frauen, das weiß doch jeder. Die haben die Nase voll von Beziehungen. Die wissen, was sie wollen.«
»Ach, wirklich?«
Honey lief es eiskalt über den Rücken. Nahm man das tatsächlich allgemein von älteren Frauen an, wenn sie sich darum bemühten, ihren Körper fit und straff zu halten? »Ältere Frauen wollen also nur Sex. So habe ich das bisher noch nicht gesehen.«
»Aber so ist es nun mal«, erklärte er und hatte nicht bemerkt, dass sie von seiner Einschätzung alles andere als begeistert war. »Rein körperlich, Schwester. Mehr wollen die nicht. Rein körperlich.«
»Sie geben also zu, dass Sie eine sexuelle Beziehung zu Arabella hatten?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, sie wollte keine Beziehung. Ich wollte auch keine. Dazu bin ich nicht bereit.«
»Und damit war sie zufrieden, Geschlechtsverkehr, sonst nichts?«
»Sie hatte keine andere Wahl. Das oder gar nichts. Ich bin ein Teamspieler. Ich bevorzuge niemanden.«
Honey verschränkte die Arme. Ihre Abneigung gegen Victor Bromwell wuchs mit jeder Sekunde.
»Hat sie bei Ihnen eine Sonderstellung erwartet?«
Er zögerte, schluckte und antwortete dann. »Na ja, sie stand gern im Zentrum der Aufmerksamkeit.«
»Sie wollte Sie also für sich allein.«
»Ich habe ihr gesagt, dass das nicht in Frage kommt. Da hat sie ein bisschen geschmollt.«
»Ach ja?«, erwiderte Honey und nickte nachdenklich. »Sagen Sie mal, kann jemand bezeugen, wo Sie am 11. dieses Monats etwa um 23 Uhr abends waren?«
Sein Mund stand offen, während er sich das Hirn nach einem Alibi zermarterte. Honey fiel auf, dass Leute, die verzweifelt nach einer Ausrede suchten, beinahe kindlich wirkten, wie damals in den Kindertagen, als sie das Flunkern lernten.
Schweißperlen glänzten auf dem geschorenen Schädel des Fitnesstrainers. Er sah ein bisschen aus wie jemand, der in einer Fernsehshow an Gladiatorenspielen teilnahm. Nur war er ein wenig nervöser.
»Schauen Sie mal, ich war mit jemandem zusammen. Aber he, das war eine ganz besondere Person. Können wir die Sache cool angehen? Mein Ruf steht auf dem Spiel.«
Honey zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ihr schlechter Ruf«, sagte sie bösartig, »oder wollen Sie andeuten, Sie hätten einen guten?«
Er kaute auf seinen Lippen herum. »Also gut, bei den meistenFrauen belasse ich es beim rein Körperlichen. Aber nicht bei allen. Es gibt eine besondere Frau in meinem Leben, und die ist sehr kultiviert. Sie verstehen?«
Honey ging durch den Kopf, dass diese Person, wenn sie tatsächlich kultiviert war, nun wirklich nichts mit Mister Muskelpaket zu tun haben sollte. Andererseits, überlegte sie, ab und zu war ja auch ein Hotdog eine willkommene Abwechslung von Königinnenpastetchen.
»Na gut, das akzeptiere ich. Eine feine Dame wollte es mal rau, aber herzlich. Sie können mir nicht sagen, mit wem Sie zusammen waren, aber können Sie mir verraten, wo Sie
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