Mord zur besten Sendezeit
herausgeputzte Oma.«
Honey fand Caspers Urteil über Arabella ein wenig sehr unfreundlich und sagte das auch. »Stiefmutter, ja, aber nicht Großmutter.«
»Na, dann machen Sie mal weiter mit Ihrem kleinen Ausflug nach Wales, aber kommen Sie schnell wieder her, ehe sie sich einen Minderwertigkeitskomplex einfangen. Davon gibt’s ja in Wales jede Menge.«
»So wenig haben Sie für Wales übrig?«
»Erst seit all die Bergwerke geschlossen wurden und es die schnoddrigen, schmuddeligen Männer in den großartigen Chören nicht mehr gibt. Natürlich haben sie immer noch tolle Rugbyspieler, das sind auch handfeste Kerle, wenn auch nicht ganz so dreckig.«
Faith Page machte Honey auf; sie füllte die ganze Türöffnung aus. Ihr massiger Körper war in ein wallendes schwarzes Gewand gehüllt. Am Hals lugte ein Preisschild des Hampstead Bazaar hervor.
Nachdem Honey sich vorgestellt hatte, bat Faith Page sie herein.
Das Innere des Häuschens war völlig anders als erwartet. Es schien wesentlich geräumiger, als sie von außen vermutet hätte. Ein großer Gobelin mit einer Jagdszene nahm eine der Wände ein. Zwei Tischlampen aus Messing, die sogar um diese Tageszeit bereits eingeschaltet waren, standen auf einer Eichentruhe vor dem Gobelin.
Faith führte Honey zu einem sehr hellen Wintergarten im hinteren Teil des Hauses.
»Trinken Sie Tee?«, fragte Faith, nachdem sie Honey aufgefordert hatte, auf einem schönen alten Stuhl Platz zu nehmen.
Honey erwiderte, sie hätte sehr gern eine Tasse Tee.
»Wunderbar.«
Faith Page schob ihr mit plumper und über und über mit Ringen geschmückter Hand das Teetablett hin.
»Ich habe ihn gerade frisch gebrüht. Bitte bedienen Sie sich.«
Mit einem kurzen Blick stellte Honey fest, dass auf dem Tablett nur eine Tasse zu finden war.
»Trinken Sie keinen Tee mit?«, erkundigte sie sich.
Faith wies mit der Hand auf ein hohes Trinkglas, eine dunkelgrüne Flasche und eine Plastikflasche mit Tonic.
»Gin«, sagte Faith. »Ich mag keinen Tee. Ich trinke nur Gin.«
»Ah«, erwiderte Honey.
Nach ein paar Jahren im Hotelgeschäft war es ihr zur zweiten Natur geworden, das Verhalten von Menschen und ihre Beweggründe einzuordnen. Faith Page hatte sie schnell enttarnt. Faith war wohl aufs Land geflohen, um sich von London zu erholen, weit weg von ihren Klienten und allen anderen, die Ansprüche an sie stellten. Der Gin war ihr Tröster und wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass der Termin so leicht zu bekommen gewesen war. Faith und ihre Ginflasche waren bestens befreundet.
»Also!«, sagte Faith, reckte die Stupsnase in die Höhe und musterte Honey mit kleinen, tiefsitzenden Augen, die so durchdringend waren wie das Skalpell eines Chirurgen. »Ich bin Ihnen empfohlen worden, sagen Sie. Kenn ich die Person?«
»Casper St. John Gervais!«
Es war einfach der erste Name, der Honey in den Kopf kam, und er ging ihr ganz leicht über die Lippen. Er war ja auch wirklich eindrucksvoll.
Faith legte eine kleine Pause ein, als müsste sie ihr Gedächtnis durchforschen. Honey hoffte und betete, dass der Gin das Gehirn der Agentin bereits ausreichend umnebelt hatte, so dass Namen und Ereignisse ein wenig durcheinandergeraten waren.
»Ich glaube, Sie haben sich bei einer Veranstaltung über Noël Coward kennengelernt«, fuhr Honey munter fort. »Casper ist ja ganz versessen auf Noël Coward. Sein größter Fan, muss ich wohl sagen.«
Faiths schlaffe Wangen entspannten sich ein wenig, während sie die von Honey vorgeschlagene Erinnerung bedachte und akzeptierte.
»Ah ja, Noël Coward.«
Natürlich, Noël Coward. Honey gratulierte sich, dass sie Caspers Namen benutzt und dann auch noch mit dem noblen Noël in Verbindung gebracht hatte. Faith glaubte ihr alles.
»Er hat mir gesagt, Sie hätten ihn damals sehr beeindruckt, und er hat mir angedeutet, dass Sie wahrscheinlich die beste Agentin wären, an die ich mich mit meinem Projekt wenden könnte. Er hat sogar gesagt, es könnte niemand besser machen«, log Honey munter weiter. Die frei erfundene Geschichte ging ihr wie Honig über die Lippen.
Faith, die ohnehin schon von beträchtlichem Umfang war, schluckte diese Schmeichelei und schien vor Stolz noch mehr anzuschwellen.
»Ah!«, rief sie und warf den Kopf in den Nacken. Ihr Busen wogte vor Begeisterung. »Das ist mal ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Eine erfrischende Abwechslung. Die meisten Männer produzieren ja nur heiße Luft. Und denken nur unterhalb der Gürtellinie.«
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