Mord zur besten Sendezeit
sich die Öffentlichkeit betrogen gefühlt, und die Leute hatten Mitleid mit den Kindern und der verlassenen Ehefrau.Davon haben sie im wirklichen Leben schon genug. Die wollten das Märchenland. Aber hat die blöde Kuh mir zugehört? Nein. Hat stur ihre Sache durchgezogen und ist voll gegen die Wand gefahren.«
»Ich kann mit Ihnen fühlen. Das ist sicher nicht leicht für Sie gewesen – ich meine persönlich, beruflich und auch finanziell.«
Bis jetzt waren Faith Pages Augen zu Schlitzen verengt und auf einen Punkt am anderen Ende des Wintergartens gerichtet gewesen, wo ein blühendes Fleißiges Lieschen aus einer blauweißen Suppenterrine leuchtete, die schon längst keinen Deckel mehr hatte.
Nun schaute Faith Honey von der Seite an.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Nun ja …« Honey musste lange zögern, ehe sie weitersprach. »Meinen Sie, dass Arabella die Heirat vielleicht bereut hat? Die Ehe mit Adam Rolfe?«
»Darauf können Sie wetten. Sie hat überlegt, ob sie ihn verlassen sollte. Sie wäre ja nicht lange allein geblieben. Nicht Arabella. Das war nicht ihr Stil.«
»Glauben Sie, dass er sie umgebracht hat?«
Sie zuckte die Achseln. »Wenn er es nicht getan hat, dann hätte er es tun sollen. Die blöde Kuh hat es mehr als verdient.«
»Nun, ich nehme an, Sie haben sich nicht oft gesprochen oder getroffen, auch bevor sie Ihre Agentur verlassen hat.«
Faith Page lehnte sich zu dem Beistelltischchen und schenkte sich einen weiteren Drink ein, obwohl die Eiswürfel längst zu schmelzen begonnen hatten. Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, neigte sie den Kopf und schaute Honey unter ihrem orangeroten Haar und den pechschwarzen Augenbrauen hervor an.
»Wenn ich mich mit ihr getroffen hätte und die Umstände günstig gewesen wären, hätte ich sie wahrscheinlich eigenhändig abgemurkst.«
Honeys Mund verzog sich zu einem »Oh«, aber sie brachte keinen Laut hervor.
»Ich und ein ganzes Heer anderer Leute«, fügte Faith hinzu. Ein gruseliges Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus wie ein bösartiger Ausschlag.
»Leute vom Fernsehen?«, fragte Honey.
»Besonders Leute vom Fernsehen. Auf dem Bildschirm war die ach so herzige Arabella nichts als liebenswürdiges Lächeln. Kaum war die Kamera ausgeschaltet, war sie die Arroganz pur. Da können Sie jeden fragen. Fragen Sie Sean Fox. Fragen Sie Denise Sullivan. Fragen Sie irgendeins von den armen Schweinen, die mit ihr arbeiten mussten.«
»Interessant. Aber jetzt sind Sie die Frau ja los und müssen sie nicht mehr vertreten.«
Da war es wieder, das bösartige Grinsen. »Meine Süße, ich vertrete sie immer noch. Sie hatte neunzig Tage Kündigungsfrist einzuhalten. Und sie hat nicht schriftlich gekündigt.«
»Aber Sie haben es mir doch gerade gesagt, und Arabellas Mann wird es auch gewusst haben …«
»Ihr Wort gilt gar nichts, meine Liebe. Ich kann Sie einfach bezichtigen, eine Lügnerin zu sein. Und was Adam betrifft, dieser Warmduscher, der kann gegen mich gar nichts ausrichten. Wenn je ein Mann leicht einzuschüchtern war, dann Adam Rolfe! Dieses Weichei! Das ist er, ein Weichei!«
Faith lehnte sich vor, und ihre Augen waren stahlhart und hasserfüllt. »Ich sage Ihnen was: Die Chancen stehen gut, dass sie mir tot mehr Geld einbringt als lebendig. Sie ist ermordet worden. Wäre sie an irgendeiner Krankheit gestorben – pah! Das hätte mir nichts gebracht. Aber«, sagte Faith, und ihre Augen leuchteten, während sie sich einen weiteren Schluck Gin und Tonic gönnte, »sie ist ermordet worden. Jede Publicity ist gute Publicity, aber dass sie jemand abgemurkst hat, hat wahrscheinlich sämtlichen Schaden wieder aufgewogen, den sie mit ihrer Heirat angerichtet hat. Ich kann mir schon bildlich vorstellen, wie die Fernsehsender bei mir Schlange stehen und Verträge für die Wiederholungen abschließen wollen …« Sie hob ihr Glas zu einem Trinkspruch. »Auf bessere Zeiten …«
Dann sang sie »Happy days are here again«, mit hoher, rauer, von Alkohol, üppigem Essen und vielen französischen Zigaretten rauchiger Stimme.
»Ich kenne eine Hellseherin, die vielleicht interessant für eine Ihrer Sendungen sein könnte«, sagte Honey, der plötzlich das Versprechen wieder einfiel, das sie Mary Jane gegeben hatte.
»Sprechen Sie mit meiner Sekretärin. Die kümmert sich um den ganzen Scheiß.«
»Vielen Dank.«
»Sie finden sicher selbst raus.«
»Ach, noch eins«, sagte Honey, die sich an etwas erinnerte, was Casper gesagt hatte.
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