Mord zur besten Sendezeit
Geschwister vermissen ihn schrecklich. Mein ganzes Leben über habe ich gebetet, eines Tages so viel Geld zu haben. Vielleicht hätte ich vorher genau überlegen sollen, was ich mir wirklich wünsche.« Sie wischte sich mit ihren dicken Fingern eine Träne von der Wange. »Ich würde Mr. Singer gerne danken, daß er diese Pressekonferenz einberufen hat, um sich in aller Öffentlichkeit zu entschuldigen, aber Sie alle wissen genausogut wie ich, daß er kein einziges Wort davon wirklich ernst meint. Er kennt Tony nicht — kannte ihn nicht. Es ist ihm auch egal. Das ist es ihnen allen. Diese Leute benutzen die Kids, um sie zu demütigen und um Pickelsalbe zu verkaufen, und es ist ihnen egal, ob jemandem etwas dabei geschieht. Ich bezweifle sogar, daß es ihnen etwas ausmachen würde, wenn einem der ihren etwas dabei geschehen würde.«
Die Frau begann zu schluchzen. Sie riß sich zusammen und wandte sich zu Singer. Vor seinem Gesicht hob und senkte sie ihre Hand, wodurch sie ihn in Hypnose versetzte. Dann stieß sie ihm ihren Zeige- und Mittelfinger in die Augen. Noch während er sich davon erholte, haute sie ihm eins auf die Unterseite seiner Nase.
Und dann holte sie weit aus, um ihm eine regelrechte Ohrfeige zu verpassen. Sie lächelte und schob sich anschließend durch die Menge, wobei sie mit erstaunlicher Beweglichkeit zur Tür gelangte, wenn man ihre voluminöse Figur bedachte. Einige Reporter eilten ihr nach, aber die meisten blieben da, um die Reaktion des großen Sinclair Singer auf Film zu bannen. Er lehnte sich zu dem Mann in der GAP-Jacke und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich konnte von seinen Lippen lesen. Stornier’ den Scheck, sagte er.
Alex und ich saßen in den Zuschauerboxen des Sets von Party Girls mit der Pressemeute, einigen Mitgliedern der Crew, und Patty Delorean. Ich war mir nicht sicher, wo sich Lola und Sabrina befanden — Patty sagte, sie seien in Sabrinas Garderobe und warteten da auf die Mitarbeiterversammlung um halb eins. Sie ließ mich nicht meinen Kopf dort hineinstecken und guten Tag sagen. Ich hätte Patty gerne gefragt, warum sie eigentlich Sabrina vor ihrer eigens angestellten Beschützerin beschützte.
Das Set von Party Girls war eher eine Enttäuschung. Auf dem Fernsehbildschirm sah es aus wie ein echtes Zimmer, aber von da, wo ich saß, waren die Wände lediglich faltbare Bretter aus Spanholz, auf denen Leinwand festgetackert war. Der Teppich mit dem Paisleymuster war einfach auf den Boden gemalt. Gute Sache, wenn man das gestrige Blutbad bedachte. Sabrinas kreischpinker Thron in der Mitte der Bühne war aus Velours und nicht aus Samt, wie ich angenommen hatte. Die Sofas sahen ebenso billig aus. Ziemlich schockiert stellte ich fest, daß die Farben genau diejenigen waren, die ich in meinem beschissenen Fernseher gesehen hatte. Der ganze Effekt war billig und nachgemacht. Und ich hatte schillernd und nachgemacht erwartet. Ich suchte nach irgendeinem Überrest von Blut, fand aber keinen. Die Pressekonferenz am Tatort stattfinden zu lassen, wäre nicht gerade meine Entscheidung gewesen. Ich nahm an, daß die Fernsehleute auf einen besonders dramatischen Effekt ausgewesen waren. Nach dem Murmeln der Presseleute zu schließen, war es ihnen gelungen.
Zu Alex sagte ich: »Sie hat ihn reingelegt.«
»Das war der Fluch des bösen Auges«, informierte uns Patty. »Sie hat ihn mit einem Fluch belegt. Das habe ich schon einmal gesehen — viele der alten italienischen Katholiken machen so etwas. Die Ostjuden machen so etwas auch, aber bei ihnen bedeutet es Glück.«
»Singer wird etwas weniger photogen aussehen, wenn ihm Haare auf den Leberflecken wachsen und er Warzen bekommt«, stellte Alex fest, der gelegentlich eine Kamera mit sich herumschleppte.
Patty korrigierte ihn: »Der Fluch, wenn man denn an solche Dinge glaubt, wird eher seine Eingeweide betreffen.« Ich stellte mir vor, wie Singer völlig außer Kontrolle geraten in ein vergoldetes Klo spuckte. Ich fragte mich, wieviel wohl eines unser schmuddeligen Massenblätter für dieses Bild zahlen würde.
»Ich vermute, eine gütliche Einigung steht damit völlig außer Frage«, sagte Patty, während noch einige Journalisten um uns herumstanden. Ich sah auf meine Uhr, Die außerordentliche Mitarbeiterversammlung — nur für einige besondere Mitarbeiter wohlgemerkt — würde in zwanzig Minuten in Mr. Singers Büro stattfinden. »Als Psychiaterin wußte ich«, fuhr Patty fort, »daß sie dieses Angebot nicht annehmen würde.
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