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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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verlor ich ihn einige Male aus den Augen. Endlich schaffte ich es aber doch zu ihm und stellte fest, daß er mit einem Teenager in einer Hose mit Schlag und einem Bustier tanzte. Ich stieß ihn mit meinem Ellbogen in die Rippen. Er ignorierte mich. Ich hieb ihm noch einmal eine. Er tanzte weiter und zischte mir zu: »Du störst hier gerade!«
    »Ich gehe«, sagte ich. Ich fragte mich, ob Mrs. Felluti mich mit dem bösen Blick strafen würde, wenn ich sie über ihren Sohn ausfragte.
    Alex hörte auf zu tanzen. »Okay, was ist los? Du wirkst ja richtig aufgelöst.« Unter seinen vielen Talenten hatte er auch die Fähigkeit, das Offensichtliche beim Namen nennen zu können.
    Ich sah dorthin, wo Lola und Patty an Sabrinas Seite standen. Sie hatte sich keinen Zentimeter weit von ihrem roten Samtthron fortbewegt. Eine Prollfrau versuchte, sich der Göttin des Prime Time zu nähern, aber Patty jagte sie mit einem subtilen und sehr gut plazierten Stoß in die Nieren aus dem Feld. Sabrina blickte auf ihre Uhr. Sie war seit genau vierzig Minuten im Club Buff.
    »Kann es eigentlich sein, daß ich vorhin Max gesehen habe?« Alex blickte sich um und suchte.
    »Er hat mich beim Rauchen erwischt.« Es war mir tatsächlich peinlich.
    »Und jetzt gehst du, um dich wieder mit ihm zu versöhnen.«
    »Achte du auf Patty und Sabrina.«
    »Wenn du jetzt versuchst, dich an ihn ranzuschmeißen, nach einem solchen offenkundigen, vorsätzlichen Fehltritt, wird er sich gedemütigt, entmannt und wütend fühlen. Gib ihm etwas Zeit.« Alex sprach voller Überzeugung. Ich fragte mich, ob er wohl aus Erfahrung spräche. »Ich spreche aus Erfahrung, Wanda«, sagte er. »Erfahrung, die ich im übrigen mit dir gemacht habe. Die Wahrheit tut immer weh. Es tut mir leid.« Es schien ihm aber gar nicht so leid zu tun.
    »Mit Freunden wie dir braucht man keine Therapiegruppe mehr«, sagte ich. In bezug auf Max könnte er recht haben. Ich streckte die Hand nach seinen Fingern aus und spürte eine Welle der Dankbarkeit, daß dieser Mann mein Freund war.
    Er drückte meine Hand auch. »Ist das hier ein rührender Polaroidmoment?« fragte er.
    »Entschuldige, ich muß mal eben Kotzgeräusche machen gehen. Und im übrigen gehe ich jetzt wirklich«, sagte ich. »Ich muß morgen früh in Bay Ridge sein.« Bay Ridge, die italienische Gegend von Brooklyn, war die Heimat der Familie Felluti und der Ort, an dem Tonys Beerdigung stattfinden würde. »Morgen wird Tony beerdigt. Ich will da hin und ein bißchen unter die Grabsteine blicken.«
    »Du bist ja ganz schön zynisch«, sagte er und grinste, ohne Zähne. Er wischte sich braune Haarsträhnen aus den Augen. »Okay, ich bleibe hier und begleite Sabrina nach Hause. Ich glaube sowieso, daß die bald gehen wollen.« Das Mädchen in den Schlaghosen kam wieder zu
    Alex herübergehüpft und machte ihm Zeichen, er solle mit ihr tanzen. Ich begutachtete ihren Po. Er war rund. Meiner war flach. Alex hatte bislang nie etwas dagegen gehabt.
    Ich war noch nicht bereit, ihn ihr zu überlassen, und sagte: »Max muß mich ja jetzt verabscheuen.«
    »Er verabscheut dich nicht«, beruhigte Alex mich. »Er fühlt sich wahrscheinlich verraten. Vielleicht wütend. Eine Prise Enttäuschung. Und du weißt ja selbst, daß Enttäuschung eine Emotion ist, die viel zu gering geachtet wird.«
    »Das habe ich schon gehört.« Ich sah Lola, die mir zuwinkte, und winkte ihr zurück. »Das Taxameter läuft«, sagte ich.
    »Mach dich auf. Tu mir nur einen Gefallen.«
    »Vielleicht.«
    »Rauch keine Zigarette mehr.«
    Ich nickte und verschwand wie ein geölter Blitz.
    Ich nahm ein Taxi nach Hause. Es war zehn Uhr dreißig an einem Samstagabend. Ich überlegte während der Fahrt, ob ich nicht zu Max fahren sollte, aber beschloß dann doch, Alex’ Rat zu befolgen. Ich war erstaunt, daß ich in der Lage war, einem derart heftigen Verlangen zu widerstehen — vielleicht war auch das ein Entzugssymptom.
    Im Daily Mirror hatte gestanden, daß Tonys Beerdigung um neun Uhr morgens stattfinden würde, eine Stunde, die mir am Sonntagmorgen eher fremd ist. Ich wußte über Bay Ridge nichts, außer daß die Gegend jede Menge Kirchen, Beerdigungsinstitute und Friedhöfe hatte. Es gab außerdem eine Unmenge von italienischen Delikatessenläden und Pizzerien. Ich nahm mir vor, vorher den Stadtplan anzusehen und Pfefferminzbonbons mitzunehmen.
    Der Taxifahrer, der tatsächlich Englisch sprach, fragte mich, ob ich was dagegen hätte, wenn er rauchte. Ich fragte

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