Mord zur besten Sendezeit
gleichzeitig hatte sie keine Ahnung, daß sie eine aus der Art geschlagene Männerhasserin, so hat sie dich genannt, beauftragt hat, die ihren Spaß daran hat, ihre Opfer zu zerhacken. Sie wird sich vermutlich demnächst in ein Kloster begeben, so stark sind ihre Schuldgefühle.« Das war ja wenigstens eine gute Nachricht. Dick fuhr fort: »Wir haben eine Leiche. Ich habe zwei Zeugen, einer davon glaubhaft« - ich spottete lautlos mit Hilfe meines Mienenspiels — , »einer halbwegs glaubhaft, und du hast gar nichts.«
»Aber es hat keinen Mord gegeben. Alex lebt noch. Ich bin sicher, du kannst von dem Jungen die Bestätigung bekommen, daß Alex der Typ ist, den ich angeblich erschossen habe.«
»Das Kid sagt, der Tote sei die ganze Zeit über hinter ihm gewesen. Das eine Mal, das er ihn hat ansehen können, lag er schon auf dem Boden, als Leiche ohne Gesicht.« Das stimmte einfach nicht. Alex hatte ihn von Angesicht zu Angesicht auf offener Straße angebrüllt.
»Er hat ja ein ausgesprochen selektives Erinnerungsvermögen. Und was ist eigentlich mit seiner ersten Beschreibung des Täters?«
»Er hat seinen Fehler schon zugegeben.«
»Also steht meine Aussage gegen die eines verängstigten Jünglings und eines Obdachlosen, der auf den Bürgersteig gepinkelt hat.«
»Im Grunde genommen ist es so«, stimmte mir Dick zu.
Ich kniff mir in den Arm und wartete darauf, daß ich endlich aufwachen würde. Es funktionierte nicht. Ich versuchte es nochmal. Nichts. Ich seufzte und fragte Dick: »Und wem glaubst du nun wirklich?«
Dick drehte seine Schweinsäuglein nach unten und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Du wirst in polizeilichem Gewahrsam bleiben müssen, bis wir dir eine Zelle organisiert haben. Ich werde versuchen, deine Kautionsverhandlungen ein bißchen zu beschleunigen. Es wird aber ein paar Tage dauern.«
»Ich habe aber keine paar Tage Zeit. Ich habe« — ich schaute auf die Uhr — »eine Stunde und fünfzehn Minuten Zeit, um zum Channel 6 zu fahren. Ich weiß, wer der Killer von Party Girls ist, und wenn ich nicht rechtzeitig zum Studio komme, dann wird auch heute abend jemand sterben.« Na und, dann habe ich halt gelogen, aber auch nur zum Teil.
»Wenn eine zerschnittene Leiche im Spiel ist, Wanda, dann kann ich nicht die geringsten Sonderabmachungen erwägen.« Er nannte mich beim Vornamen. Er hatte mich noch nie bei meinem Vornamen genannt. Ich wollte sein Mitleid nicht.
Er stieß seinen Stuhl zurück und verließ den Raum.
Im mir stieg die Panik hoch, kaum daß er draußen war. Ich brauchte Alex. Ich schlug mit den Fäusten auf die Tür ein und verlangte, jetzt sofort das mir zustehende Telefonat führen zu dürfen. O’Flanehey brachte mich zu einem öffentlichen Telefon auf dem Korridor. Ich versuchte es bei Sabrina. Es ging niemand an den Apparat. Ich versuchte es im Studio, wo ich bat, mich mit Sabrinas Garderobe verbinden zu lassen — die Leitung wurde unterbrochen. Ich versuchte es noch einmal, aber dasselbe passierte. Ich versuchte es mit Sin-gers Büro. Seine Sekretärin ging an den Apparat und schrieb ihm eine Nachricht auf: Ich sei im Gefängnis und wolle da raus. Alles, was der machen würde, wäre wahrscheinlich, mich stante pede zu feuern, dachte ich. Aber ich hatte keine Wahl. Ich holte tief Luft. Scheiße. Verdammt. Ich redete weiter auf den Hörer ein, um mir damit Zeit zum Nachdenken zu verschaffen.
Laut sagte ich: »Ja, das Revier auf der East Fifty-ninth Street.« Ich wandte mich beiläufig um, ob Dick mich wohl hören konnte. Er konnte. Ich sagte: »Nein, Mr. Singer — ich soll Sie Sinclair nennen? Nein, Sinclair. Ich kann nicht behaupten, daß ich allzusehr mißhandelt worden bin, außer daß sie mir einen Totschläger über den Kopf gehauen haben. Ich habe aber kein Blut bemerkt. Warten Sie, lassen Sie mich mal eben nachsehen.« Ich hielt die Hand an meinen Nacken. Kein Blut. »Es ist nur ein kleines bißchen da. Bitte beruhigen Sie sich, Mr. Singer. Ach so, ja, Sinclair.«
Ich sah zu Dick. Er blickte mich mißmutig an, während er an einem halben Twinkie herumkaute. Spuren von dessen gummiartigem weißen Innenleben klebten an seinem Schnurrbart. Er schluckte den Rest der Süßigkeit in einem hinunter. Ich sollte dadurch wohl eingeschüchtert werden. Laut sagte ich: »Wen werden Sie anrufen? Ich glaube nicht, daß er für so etwas Zeit hat. Nein, wirklich. Ich bin schon in einer schlechten Situation... Ganz recht. Doch, sicher weiß ich, daß der District Attorney einer
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