Mord zur Geisterstunde
Originalfilmrollen wären unermesslich kostbar.«
Bei diesen Worten schnürte sich Honey der Hals zu. Filmrollen von unschätzbarem Wert. So wertvoll, dass sie eine Kette von Morden ausgelöst hatten.
Sie erinnerte sich an ein Gespräch, das sie irgendwann während des Tages mit Lindsey geführt hatte. Ihre Tochter hatte angemerkt, dass sie und Doherty wie Schiffe wären, die in finsterer Nacht ohne Positionsleuchten ständig aneinander vorbei fuhren. Leicht pikiert hatte Honey geantwortet: »Immer noch besser, als an den Felsen zu zerschellen – oder mit einem Eisberg zusammenzustoßen.«
Und jetzt hatte sie den echten Katastrophenfall vor Augen.
Doherty schwieg, richtete sich aber auf. Nun lehnte er sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und schaute mit zusammengekniffenen Augen vor sich hin.
|285| Honey tat es ihm nach. Ihre Augen blieben nachdenklich auf die Leinwand gerichtet. »Ich wüsste zu gern, wer der Kameramann war.«
»Das ist eine sinnlose Frage«, antwortete Casper. »Ist doch klar, wo der zu finden ist – viele Faden unter dem Meeresspiegel des Nordatlantiks.«
Gloria Cross klatschte mit Schwung den Deckel wieder auf ihren Popcorn-Eimer. »Das war ja wirklich kein Spielfilm in voller Länge.«
Honey verdrehte die Augen. »Das sollte es auch nicht sein.«
Lindsey hatte der Film unendlich fasziniert. Jetzt runzelte sie nachdenklich die Stirn. »Wer immer die Originalfilmrollen auf DVD aufgenommen hat, muss doch das richtige Gerät dazu gehabt haben, nicht?«
Alle stimmten ihr zu.
»Da braucht man einen Computer plus ziemlich komplexes High-Tech-Gerät für das Überspielen. Und das ist nicht billig.« Sie tätschelte ihrer Mutter die Schulter. »Ich bringe jetzt mal Großmutter nach Hause, ehe sie ihr Eintrittsgeld zurück will.«
Doherty strich sich mit den Fingern das Haar aus der Stirn. »Mir scheint, jetzt wäre ein weiterer Besuch bei ›Sir‹ Ashwell Bridgewater angebracht.«
»Ich komme mit.«
»Gern – warum runzelst du eigentlich die Stirn? Gibt’s Probleme?«
Honey klatschte sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Da mit muss ich wirklich aufhören. Je mehr Stirnrunzeln, desto mehr Falten«, erklärte sie zunächst. »Ich hatte völlig vergessen, dass Bridgewater ja auch einen Titel erworben hat.«
»Und du glaubst, er hat ihn aus der gleichen Quelle wie Lady Templeton-Jones?«
»Simon Taylor.«
Sie zog die Tür des niedrigen Sportwagens hinter sich zu. »Si mon hat bei Associated Security Shredding gearbeitet. Sie bieten dort auch einen ›Kopierdienst‹ an. Ich habe immer gedacht, dass sie damit Fotokopien meinen.«
|286| »Vielleicht aber auch nicht.«
Dohertys Gesichtsausdruck sagte alles. Nun endlich ergaben die kleinen Schnipsel ein Muster, genau wie die Glasscherben in einem Kaleidoskop. Es war vielleicht nicht das richtige Muster, aber trotzdem sehr schön anzuschauen.
Die Filmvorführung hatte in Marshfield stattgefunden, einem kleinen Dörfchen, das einige Meilen vor der Stadt an einem Berghang lag.
»Er wird bei der Arbeit sein«, sagte Honey, als Doherty den Wagen in Richtung Cold Ashton und über die schmale Landstraße nach Northend lenken wollte.
Der Rollsplitt stiebte in alle Richtungen, als Doherty auf der Stelle wendete und zur Hauptstraße zurückfuhr.
»Wo arbeitet er eigentlich?«, erkundigte sich Honey.
Steve schaute mit ausdrucksloser Miene auf die Straße. »Mo ment mal.« Er zog sein Mobiltelefon hervor.
»Das ist aber verboten.«
»Muss sein.«
Er fragte über Handy an: »Kannst du mal in der Akte zu Lady Templeton-Jones nachschauen, wo Ashwell Bridgewater arbeitet?«
Genau das tat die Person am anderen Ende. Schließlich kam eine Antwort.
»Oh. Das ist aber interessant.«
Honey blickte ihn neugierig an. Er hatte wohl eine höchst aufschlussreiche Information übermittelt bekommen.
»Und?«
Er grinste. »Das Unternehmen, bei dem er arbeitet, gehört zur Wallace & Gates Gruppe. Gleiches Gebäude. Zweiter Stock.«
Honey lehnte sich zurück. Ihr schossen viele aufregende Gedanken durch den Kopf. Zum Beispiel, dass APW Marketing und Associated Security Shredding zur gleichen Gruppe gehören könnten.
Bei APW Marketing hatten sie kein Glück.
»Ashwell ist nicht zur Arbeit erschienen«, sagte eine pummelige Blondine mit Glitzerfingernägeln in unendlich gedehntem |287| Tonfall. »Sie könnten es mal bei ihm zu Hause probieren. Doch ich glaube nicht, dass er da ist. Ich habe vorhin angerufen. Ist aber keiner
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