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Mord zur Geisterstunde

Mord zur Geisterstunde

Titel: Mord zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mehr in Ordnung zu bringen war als nur ihr verspannter Nacken. Ihr ganzer Körper war steif wie ein Brett. Leider würde das wohl noch eine Weile so bleiben. Heute Abend hatte sie für eine fehlende Kellnerin einzuspringen. Da musste man höflich und stets zu Diensten sein. Das hieß jedoch nicht, dass sie sich unterwürfig benehmen musste. Um sie aus der Reserve zu locken, musste nur ein besonders schwieriger Gast kommen, dem der Sinn danach stand, einmal jemanden ordentlich abzukanzeln …
    |294| Zufällig war das an jenem Abend ein gewisser Mr. Edgar Seymour, der davon allerdings noch nichts ahnte.
     
    »Haben Sie nicht gehört? In meinem Salat ist eine Blattlaus!«
    Honey wandte sich zu dem rothaarigen Mann um, auf dessen Gesicht unzählige Sommersprossen prangten. »Es tut mir leid. Ich hatte Sie nicht gehört.«
    »Hier, sehen Sie«, sagte er und deutete mit einem Wurstfinger auf den winzigen Eindringling. »Ich hatte keine Fleischzulage zu meinem Salat bestellt.«
    »Ich hole Ihnen einen frischen Salat.«
    »Nicht nötig. Sie können ihn von meiner Rechnung abziehen. Das wären dann vier Salate …«
    »Sie haben vier Salate mit Blattlaus bekommen?«
    »Nein, die Blattlaus war nur in meinem, aber meine Freunde hatten alle Salat bestellt …«
    Honey blickte auf die leeren Teller. »Und aufgegessen.«
    »Das tut nichts zu Sache … Und dieser Kaffee scheint mir ziemlich abgestanden.«
    Honey schaute auf die Kaffeekanne, die auf der Wärmeplatte fröhlich vor sich hin brodelte. Außer normalem Kaffee gab es im Restaurant noch Caffè Latte, Cappuccino und entkoffeinierten Kaffee. Gar nicht schlecht für ein kleines Hotel.
    Sie machte einen letzten verzweifelten Versuch, höflich zu bleiben. »Ich kann Ihnen versichern, dass der Kaffee frisch gefiltert ist. Die Kanne wird alle paar Minuten geleert, sodass wir neuen aufbrühen
müssen

    »Na gut, aber was ist nun mit diesen Salaten?«
    »Ich regle das und bin gleich wieder da.«
    Zwei ihrer fest angestellten Kellnerinnen hatten sich krank gemeldet. Lindsey tat, was sie konnte, um auszuhelfen, genauso Dumpy Doris. Dumpy Doris war gebaut wie ein Bulldozer, hatte schwarzes Haar und stechende schwarze Augen. Und sie kannte Gott und die Welt. Wieso, das hatte Honey bisher noch nicht begriffen. Denn eigentlich war Doris kaum die Ivana Trump im wilden gesellschaftlichen Leben von Bath. Aber manchmal waren |295| die Informationen, die sie beisteuern konnte, wirklich nützlich. So wie heute.
    Doris’ teigiges Gesicht zuckte, als hätte sie gerade mit dem Finger in die Steckdose gelangt. Sie ähnelte einem etwas schrägen und ziemlich übergewichtigen Roboter.
    Aber auf diese Weise gelang es ihr, Honeys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Ihre Augen waren zu wütenden Schlitzen verengt und auf den meckernden Blattlaus-Typen gerichtet.
    Honey erklärte ihr die Sachlage. »Die beschweren sich, dass sie eine Blattlaus im Salat hatten.«
    »Und er will, dass Sie alle vier Salate von der Rechnung streichen, vermute ich mal. Verdammt typisch! Die werden auch am Hauptgericht was auszusetzen haben und dann am Dessert und am Tee und Kaffee. Das machen die in jedem Restaurant so, das sie mit ihrer Gegenwart beehren. Ich kenne die. Ordinäres Pack! Er hält sich für wer weiß wen, und sie ist so der Typ, der oben Pelzmantel trägt, aber keinen Slip drunter.«
    »Und die Blattlaus?«
    »Der Alte, unser lieber Harry hier, züchtet Rosen. Muss ich noch mehr sagen?«
    »Also, was ist nun mit der Blattlaus?« Der sommersprossige Rotschopf tauchte mit vor Selbstbewusstsein geschwellter Brust neben Honey auf.
    Die verschränkte ruhig die Arme vor dem Busen. »Nun, Sie wissen ja, was man so sagt, wenn man eine Blattlaus im Salat finden will, nicht? Dann muss man eben eine mitbringen!«
    Der Mann runzelte die Stirn. »Wie können Sie es wagen!«
    Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten Honey nicht gerade mild gestimmt. »Und jetzt machen Sie, dass Sie aus meinem Hotel rauskommen, sie schäbiger Emporkömmling!« Sie konnte sich gerade noch bremsen und schrie ihn nicht an. Auch dem Wunsch, die Faust zu ballen und dem Kerl eins auf die Nase zu geben, konnte sie gerade noch widerstehen.
    Seine Tischgesellschaft war vor Schreck erstarrt.
    Dann erhob sich seine Frau, die schwarze Polyesterhosen und |296| ein Top mit einem schwarzroten Blumenmuster trug. Sie warf den Kopf in den Nacken und schaute hochmütig wie eine Herzoginnenwitwe. »Also, so hat man uns noch nie behandelt!«
    »Da habe

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