Mord zur Geisterstunde
nur was für die mit dem großen Geld. Dem wirklich großen Geld, was man so hört.«
»Ehrlich?« Honeys Augenbrauen schossen interessiert in die Höhe. Wenn Alistair so sprach, tat er das mit Absicht.
|54| »Ein paar Dinge jedenfalls. Einige blauweiße chinesische Keramiksachen, die irgendwann im siebzehnten Jahrhundert mit einem holländischen Schiff untergegangen sind. Die könnten ein ordentliches Sümmchen einbringen. Und dann ist da noch das wirklich wertvolle Zeug, das weltberühmte.«
»Was für Zeug?«, flüsterte Honey aufgeregt und machte Stielaugen. Obwohl sie selbst nichts ersteigern wollte, hatte ihre Neugier mindestens den Wert sieben auf der nach oben offenen Richterskala erreicht.
Langsam breitete sich ein Lächeln über Alistairs Gesicht aus, das seinen Bart zu verdoppeln schien. Er tippte sich nach Verschwörerart mit dem Zeigefinger an den Nasenflügel. »Noch nichts bestätigt. Das ist ein Geheimnis, liebes Mädchen. Ich kenne es, und Sie können es nur raten.«
»Spielverderber!«
Sie stolzierte fort, blieb aber in der Tür noch einmal stehen.
»Sind Sie sicher …?«
Alistair schüttelte den Kopf und schmatzte leise. »Kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, Mädchen. Das würde mich wahrscheinlich meinen Job kosten. Und Sie würde das nur zu sehr aufregen.«
»Schade«, erwiderte Honey. »Ich könnte gerade ein bisschen Aufregung in meinem Leben brauchen.«
Der Mittagsverkehr war dicht. Der Motorradfahrer hakte die Zehen unter das Kupplungspedal und schaltete herunter. Jetzt war er schon zum dritten Mal um den Queen Square gefahren. Er hatte gesehen, wie Mrs. Honey Driver in das bekannte Auktionshaus Bonhams in der King Street hineingegangen war. Wenn er nicht aufpasste, würde er sie verfehlen, wenn sie wieder herauskam, je nachdem, welche Richtung sie einschlug. Alles, was Räder hatte, musste von Bonhams aus wieder zum Queen Square kommen. Fußgänger hatten jedoch die Möglichkeit, die Abkürzung über die Quiet Street oder sogar durch Jolly’s, das einzige Kaufhaus der Stadt, zu nehmen.
Mit verkrampftem Kiefer fuhr er langsam auf die Ampel an der |55| Kreuzung vor der Abzweigung in die King Street zu. Als er über diese Ampel hinweg war und seine Beute noch immer nicht gesichtet hatte, beschleunigte er, fuhr noch einmal um den Platz, bis er wieder vor dem Eingang in die King Street stand. Das machte er vier Mal. Vier Mal, und immer noch nichts von ihr zu sehen! Beim fünften Mal sah er sie auf sich zukommen. Er verlangsamte das Motorrad, schleifte mit einem Fuß auf der Straße.
Er konnte nicht ausmachen, ob sie ihn bemerkt hatte. Er hatte es sich anders überlegt, wollte jetzt noch nichts unternehmen. Sein Magen krampfte sich sowieso zu einem Knoten zusammen, wenn er daran dachte, was er vorhatte – was er tun
musste
.
[ Menü ]
|56| 11
Steve Doherty schaute auf das Oberlicht etwa drei Meter über seinem Kopf. Normalerweise hätte es das schmale alte Treppenhaus erhellt. Er nahm an, dass man hier zerbrochene Glasscheiben durch Sperrholz ersetzt hatte. Ein Constable, den er hochgeschickt hatte, damit er sich das einmal näher ansah, kam zurück und berichtete, dass ein Stück wasserdichtes Segeltuch das Licht aussperrte.
»Wer hat sie gefunden?«
»Ich.«
Der kleine Mann mit dem verhutzelten Gesicht und dem hennagefärbten Haar hatte bis jetzt völlig stumm und still dagestanden. Seine Stimme zitterte im Takt mit seinem Körper.
»Mr. Jim Porter. Bau- und Malerarbeiten«, erklärte Karen Sinclair. Karen war Steve Dohertys neue Assistentin. Sie war jung und eifrig. Doherty hatte sie schon vor ihrer Beförderung bewundert, als sie noch Uniform trug. Jetzt war sie bei der Kriminalpolizei. Jeans und ein schwarzer Pullover waren zwar im Gegensatz zur Uniform nicht gerade der Stoff, aus dem Männerphantasien gemacht sind, aber trotzdem würde Karen sicher noch dem einen oder anderen Kollegen in heißen Träumen erscheinen.
»Ich bin hergekommen, um einen Kostenvoranschlag für ein paar Arbeiten abzugeben«, platzte Jim Porter heraus.
Steve konnte sehen, dass der Blutdruck des guten alten Jim kurz vor der Gefahrenmarke stand, denn die Wangen des Mannes hatten beinahe den gleichen Farbton wie sein Haar. »Ich hab sie nicht gekannt«, fügte der Mann mit unsicherer Stimme hinzu, obwohl ihn niemand gefragt hatte.
»Sie hatten einen Schlüssel?«, erkundigte sich Doherty.
|57| »Ja. Die haben mir gesagt, ich sollte hingehen und mir ruhig Zeit lassen.«
»Die?«
»Die
Weitere Kostenlose Bücher