Mord zur Geisterstunde
Auktionskatalog für eine Versteigerung in zwei Wochen. Honey, süchtig nach Sachen aus zweiter Hand und interessanten alten Schätzen, schnappte sich das Heft.
Nautische und andere Sammlerstücke. Sie blätterte den Katalog durch und erinnerte sich daran, dass Alistair etwas von einer solchen Versteigerung gesagt hatte. Alles, was bei dieser Auktion unter den Hammer kam, hatte irgendwie mit der Seefahrt zu tun. Es waren ein paar Eintragungen für das blauweiße Porzellan darin, das er erwähnt hatte. Laut erklärendem Text hatte es sich an Bord eines niederländischen Schiffs befunden, das bei einem Sturm gesunken war. Außer Schiffscargo standen auch Teile von Schiffen zum Verkauf: Ruderpinnen und Steuerräder, das Holz in vielen Jahren von rauen Seefahrerhänden zu Hochglanz poliert. Dann waren Positionslaternen, Uhren, Navigationsleuchten und -geräte und eine unglaubliche Zahl von Teleskopen aufgeführt. Hinter einigen Nummern stand noch nichts, und am Rand war der Vermerk »Einzelheiten folgen« zu lesen. Irgendjemand, höchstwahrscheinlich Wanda, hatte mit dem Stift eine Klammer um diese nicht vergebenen Zahlen gezeichnet.
Alistair hatte ja angedeutet, dass sehr teure und weltberühmte Gegenstände zur Versteigerung gelangen würden. Sie überlegte, was er damit wohl gemeint hatte.
»Was ist das?«, erkundigte sich Steve, der seine Befragung unterbrochen hatte und ihr über die Schulter schaute.
»Ein Auktionskatalog.«
»Interessant?«
Sie verzog das Gesicht. »Na ja, ich weiß nicht. Warum sollte |114| sich jemand ausgerechnet Nummern anstreichen, hinter denen gar nichts steht?«
Steve blickte verwirrt, also zeigte sie ihm die vier markierten Zahlen. »Siehst du? Normalerweise streicht man eher die Gegenstände an, für die man bieten möchte. Sie hat Zahlen markiert, bei denen keine Angaben stehen. Seltsam, was?«
Ihr Gespräch hatte Caspers Interesse geweckt.
»Es sei denn, man will etwas verkaufen«, meinte er. »Für solche Fälle sind ja immer einige Nummern reserviert. Manche Leute sind einfach ein bisschen chaotisch.« Casper selbst gehörte natürlich keineswegs in diese Kategorie. Casper war bestens organisiert, hatte alles völlig unter Kontrolle.
Honey dagegen war nur manchmal gut organisiert. Chaotisch war sie eigentlich nicht, außer wenn sie unter Druck stand. Dann konnten die Dinge schon einmal sehr in Unordnung geraten – und taten das gewöhnlich auch. Aber im Augenblick waren ihre Gedanken kristallklar. Alistair, ihre Informationsquelle im Auktionshaus, würde sicher wissen, ob Lady Templeton-Jones sich erkundigt hatte, wie man Gegenstände für eine Auktion anmeldet.
Sie wollte gerade anmerken, dass Wissen Macht ist und sie einen sehr mächtigen, massigen Schotten mit rotem Bart kannte, der sehr viel wusste. Da klopfte es. Neville, Caspers Hotelmanager, steckte den Kopf zur Tür herein. Seine Stimme war leise – und klang beinahe ehrfürchtig.
»Casper, Sir Ashwell Bridgewater ist hier.«
Casper richtete sich gerade und stocksteif auf wie ein Wachposten am Buckingham Palast, dem man soeben mitgeteilt hatte, die Queen würde kommen und ihm höchstpersönlich die Uniformknöpfe polieren. »Hast du ihm einen Lapsong-Souchong-Tee serviert?«
»Nein!« Neville schaute Casper Verzeihung heischend an und rollte mit den Augen, bis sein Blick an Steve Doherty hängenblieb. »Er ist gekommen, um die Sachen von Lady Templeton-Jones abzuholen – sie ist nämlich seine Kusine –, sobald Sie hier fertig sind, Herr Polizist.« Nevilles Stimme klang verächtlich. |115| Das war nichts Neues. Er verhielt sich immer sehr feindselig, wenn Steve in der Gegend war. Honey vermutete, dass er irgendwann einmal mit der Polizei aneinandergeraten war und das noch nicht ganz verwunden hatte. Aber Steve scherte sich kein bisschen darum, und ihr bereitete es auch kein Kopfzerbrechen. Allerdings war die Tatsache, dass Wanda – Lady Templeton-Jones – einen Vetter hatte, der in England lebte, eine ziemliche Überraschung.
Steve schüttelte den Kopf. »Was haben diese Leute bloß? Warum wollen sie unbedingt Lord Soundso oder Lady Sonstwas heißen?«
»Prestige«, meinte Honey. »Vielleicht bekommen sie damit bei der Bank einen höheren Dispo-Kredit?«
Steve nickte, als gefiele ihm diese Idee. Aber genau wie Honey wunderte er sich doch ein bisschen.
»Zuerst rede
ich
mit diesem Vetter«, meinte er und drängte Casper mit ausgestrecktem Arm an die Wand. »Von dieser Verwandtschaft hat bisher niemand
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