Mord
in T-Shirt, Jeansjacke und prallgefüllten Jeans. Rita war zehn Jahre jünger als Elisabeth, besaß eine kräftige Figur und dickes schwarzes Haar und stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Trotzdem wurde sie immer wieder mal von ihrem Mann verdroschen, wenn er betrunken und wütend war. Als Elisabeth anfing, war Prohl gerade zur Ausnüchterung und Leberbehandlung im Krankenhaus. Er hatte ein Zettel- und Kontenchaos hinterlassen, sodass man kaum von Buchführung sprechen konnte; er war Handwerker und hatte es nicht so mit dem Papierkram.
Elisabeth machte sich daran, Ordnung zu schaffen. Sie bekam dabei regelmäßig Besuch von Rita. Das Fahrradgeschäft – Verkauf und Reparaturen – war in einer ehemaligen Kfz-Werkstatt untergebracht: Verkaufsraum mit Tresen, dort gab es alles, was zum Rad gehörte, einschließlich der papageienbunten Radlerkleidung, daneben die Werkstatträume und dahinter das Büro. Im Büro stand außer den Büromöbeln ein großer Tisch mit einer Bank und vier Stühlen. Auf dem Kühlschrank lief die Kaffeemaschine. Kaffee war für Rita so wichtig wie Bier für Hubert, sie hockte auf der Bank, beide Hände um den Kaffeebecher, und erzählte vom Leben der arbeitenden Bevölkerung.
Rita hatte schon einiges mitgemacht mit Hubert, der ein ganzes Stück älter war als sie. Sie sagte, sie könnte ihn umbringen, ja sie hätte das sicher auch schon gemacht, aber die Ärzte meinten, mit der Leber habe er sowieso nur noch ein halbes Jahr zu leben. Da wolle sie sich an dem Mann nicht auch noch die Hände schmutzig machen. Dem Mistkerl. Konnte kaum noch pinkeln, aber die Frau verprügeln. Und obwohl zu Hause tote Hose war, stieg er immer noch anderen Weibern nach. Früher war das ganz schlimm gewesen. Aber da wusste sie sich im Zweifel zu revanchieren und blickte zu einem der beiden Münsterländer Radmonteure. Die Männer mögen das, wenn man ein bisschen propper ist, da haben sie dann was zu kneten, wusste Rita.
Elisabeth war eigentlich etwas vornehmer erzogen, das hier war nicht so ganz ihr Milieu, und früher im Hotel war es etwas anders zugegangen, obwohl da natürlich auch geflirtet und geschaut wurde, wer mit wem schlief. Aber sie hatte sich da rausgehalten. Sie hatte den ersten Mann geheiratet, mit dem sie geschlafen hatte, zumal sie dann auch gleich schwanger geworden war. Zu dusselig zu verhüten, wie sie sich ärgerte, einfach zu blöde. Vorher war sie sich gar nicht klar darüber gewesen, ob sie überhaupt mit ihm schlafen wollte und ob sie ihn nicht länger zappeln lassen müsste. Aber dann hatte sie doch, und da war es auch schon zu spät. So war alles mit 19 erledigt, sie hatte Mann und Tochter. Dabei hatte sie mit 18 die Chance gehabt, zwei Jahre zu ihrer Tante nach Austin/Texas zu gehen. Sie hatte schon zugesagt und angefangen, mit ihrer Mutter zusammen eifrig Englisch zu lernen. Aber dann war sie halt schwanger geworden – gut katholisch und schwanger, da wurde natürlich geheiratet.
Ihre Tochter gab Elisabeth zur Oma und besuchte sie nur an den Wochenenden, damit sie ihre Ausbildung abschließen konnte. Ihr Mann war Zeitsoldat und erst ab Freitagabend da. Elisabeth war in der Arbeit erfolgreich, gerade weil sie sich auf die Bettgeschichten nicht eingelassen hatte, und nach vielen Jahren hatte sie sogar den Mut, sich selbständig zu machen, selbst ein Hotel zu pachten, mit dem wenigen Ersparten, das ihre Eltern ihr hinterlassen hatten, die beide keine 60 geworden waren. Ursprünglich hatten sie ganz wenig Geld gehabt. Der Vater, Polizist, war krank aus russischer Gefangenschaft heimgekommen und erst zwei Jahre später wieder in den Dienst zurückgekehrt. Deswegen hatte Elisabeth nur die Volksschule besuchen können, obwohl sie das Gymnasium sicher geschafft hätte; das hatte sie schon gewurmt, dass ihre dümmeren Schulfreundinnen aufs Gymnasium gingen und dann auf die Pädagogische Hochschule und Lehrerin wurden. Sie selbst hatte später die Fachschule besuchen können.
Also, sie hat sich nie für was Besseres gehalten, aber im Hotelgewerbe und als Kauffrau zu arbeiten, das war schon anders als in einer Werkstatt. Rita hatte nun gar keine Ausbildung, sie hatte früher gekellnert und so, bis sie dann auf Hubert hereingefallen war. Damals hatte er noch die dicke Knete und einen VW Cabrio und ein eigenes Fahrradgeschäft, von seinem Vater geerbt. Davon war inzwischen viel durch seine Kehle gelaufen. Aber Rita hatte das alles mannhaft durchgestanden und dafür gesorgt, dass der
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