Mord
es auch geglaubt. Weil er sie nach Strich und Faden betrog, dass die Leute schon redeten, hatte sie sich schließlich auch ein Abenteuer erlaubt. Sie hatte beim Ausziehen gesagt, dass sie leider frigide sei. Der Mann hatte gelacht. Und siehe da: Sie war gar nicht frigide, sie war eine richtige Frau.
Und jetzt, mit Reinhold, das war pure Harmonie. Sie klammerten nicht aneinander, sie waren geschäftlich aktiv, Reinhold betrieb auch noch einen Versandhandel mit Nahrungsergänzungsmitteln und betreute eine Reihe von Fitness-Studios. Ganz durchschaute sie all seine Geschäfte nicht; sie hatten sich auch früh geeinigt, dass sie nicht bei ihm arbeiten würde, um die Dinge nicht durcheinanderzubringen. Aber damals hatte sie sowieso noch den Ehrgeiz, das Hotel hochzubringen. Also privat war alles in Ordnung; sie hatte endlich jemanden gefunden, der auf sie einging, der auf der gleichen Wellenlänge schwang wie sie. Kurzum: Sie sah in Reinholds Vorstellungen von Partnerschaft kein Problem. Über den Altersunterschied sprachen sie nicht, warum auch, sie Ende dreißig, er knapp Mitte dreißig, das passte schon.
Zwei, drei Jahre später fuhr Reinhold Tanner besonders gern nach Berlin und offenbar stets auch nach Ostberlin, damals noch Hauptstadt der DDR . Dort hatte er in einem Café am Alexanderplatz die stattliche Ramona kennengelernt, und so bot es sich an, in Ostberliner Devisenhotels zu übernachten. Tanner bekam schließlich Post, mehrere anonyme Briefe mit der eindringlichen Aufforderung, den Kontakt zu Fräulein Ramona zu unterlassen, sonst würden gewisse Auslandsverhältnisse geschäftlicher Art dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht werden. Er unterhielt sich über die Briefe mit Elisabeth, räumte also seine Bekanntschaft mit Ramona freimütig ein – das habe nichts zu bedeuten, sei rein sexueller Natur –, und Elisabeth meinte, die Briefe seien aller Wahrscheinlichkeit nach von der Stasi geschrieben. Er befragte auch Ramona dazu, und die sagte, sie sei tatsächlich von der Stasi angegangen worden. Letztlich konnte nicht geklärt werden, wer da wollte, dass das mit Ramona aufhörte, und warum, aber er beendete die Liaison.
Ein Jahr später hatte Tanner eine Beziehung zu einer Frau in Lünen, und da bekam diese Frau anonyme Anrufe, sie solle die Finger von ihm lassen. Elisabeth berichtete, dass sie auch solche Anrufe bekommen habe, eine unbekannte Frauenstimme: «Lassen Sie die Hände weg von Reinhold Tanner, ich warne Sie!» Verrückt, wo sie doch mit ihm zusammenlebte. Tanner beauftragte daraufhin einen Privatdetektiv und erfuhr, dass Elisabeth ihm nachstellte, ihn beobachtete, observierte, manchmal zumindest. Auch zu der Wohnung der Frau in Lünen war sie ihm nachgefahren. Er versuchte ihr zu verdeutlichen, was für ein Quatsch das sei, sie kenne doch die Regeln, er als Mann brauche das nun mal.
Ungefähr zur selben Zeit erzählte Elisabeth ihrer besten Freundin Marianne, dass Tanner sie heiraten wolle. Marianne glaubte das nicht, aber sie sagte nichts. Sie kannte Tanner als gewieften Geschäftsmann, und seine Frauengeschichten waren kein Geheimnis, manchmal nahm er die Glücklichen sogar auf Geschäftsreisen ins Ausland mit.
Nachdem sie das Landhotel aufgegeben hatte, war Elisabeth Berg erst mal ohne Arbeit und genoss es. Sie konnte Reinhold nun selbst bei Geschäftsreisen begleiten, was er aber nicht immer duldete. Und sie hatte jetzt Zeit, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Die beiden lebten gut, sie hatten keine finanziellen Sorgen – allerdings, falls Reinhold sich von ihr trennen würde, hätte sie schier gar nichts. Er hatte ihr zwar in Aussicht gestellt, ihr im Falle seines Ablebens eine halbe Million zu vermachen. Aber dass er nun gleich sterben würde, war ja das kleinere Risiko. Jedenfalls ging sie besser wieder arbeiten.
Für den gemeinsamen Haushalt steuerte sie ab da monatlich 900 Mark bei. Sie wollte nicht mehr ins Hotel und arbeitete ein paar Jahre in der Verwaltung der Universität, was nicht sehr spannend war. Da erfuhr sie im Fahrradgeschäft gleich um die Ecke, dass dort dringend jemand für die Buchhaltung und das Kaufmännische gesucht wurde. Die Bezahlung war nicht üppig, aber sie konnte sich die Arbeitszeit nach Belieben einrichten, und sie hatte es nur wenige Minuten dorthin.
Den Firmeninhaber Hubert Prohl bekam sie anfangs kaum zu sehen, der Laden wurde im Wesentlichen von zwei jungen Männern im Blaumann geführt und von Prohls Frau Rita, auch im Blaumann. Oder
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