Mord
Nachthemd war verrutscht, eine Brust lag fast frei, schweißglänzend. Sie sahen sich an, Alan schnaufte, schluckte, sagte: «Wir benehmen uns jetzt wie vernünftige Leute!» Mel sagte nichts mehr, sondern lauerte, sprang plötzlich wieder aufs Bett und auf Alan zu. Der packte sie an beiden Armen und stieß sie aufs Bett, warf sich auf sie. Er sagte: «Es ist genug, hör auf! Hör endlich auf!»
So, erzählte er später, sei das gewesen. Melinda lag mit dem Kopf auf einem der dicken Kopfkissen, aber sie ergriff nun eines der beiden kleineren Kopfkissen an einem Zipfel und schlug damit auf Alans Kopf ein. Der wich zur Seite aus, fiel halb auf den Rücken, und plötzlich war Melinda wieder über ihm, schlug ihm das Kissen ins Gesicht, ließ es da und drückte, während er sich mit einer Hand abzustützen und aufzurichten versuchte und mit der anderen unter Melindas Kinn griff, um ihren Kopf wegzuschieben. Wieder sagte er: «Es ist gut, hör auf!» Aber er spürte, dass es ernst war, sehr ernst. Er spürte, wie ihm die Kraft aus den Armen wich.
Da ließ Melinda für einen kurzen Moment nach, Alan konnte sich aufrichten und war plötzlich wieder über ihr, brachte seinen Oberkörper über ihr Gesicht und drückte nun seinerseits das Kopfkissen auf ihr Gesicht, mit beiden Armen, mit aller Kraft, mit seinem ganzen Gewicht. Er meinte hinterher, das sei eine halbe Minute gewesen, aber es waren mehrere Minuten, wie er so auf das Kissen gestützt dalag, allmählich wieder zu Atem kam, unverwandt auf den glänzenden weißen Kissenbezug unter sich starrte, unter dem Melindas Kopf lag, während ihre Arme allmählich aufhörten zu zappeln und sich ihr Körper unter ihm nicht mehr aufbäumte, ruhig wurde, alles still wurde, ganz still.
Dann rollte sich Alan zur Seite, auf den Rücken, auf die andere Seite und sprang aus dem Bett, setzte sich auf den Sessel. Er wartete ab. Er sagte: «Das war nicht nötig, wirklich nicht nötig.» Aber Melinda antwortete nicht. Er blieb im Sessel sitzen, bis sein Atem ruhig wurde. Melinda sagte immer noch nichts. Er sprang aufs Bett, befühlte ihren Hals nach einem Puls. Er schob ihr Nachthemd vollends nach oben und legte sein Ohr auf ihre linke Brust, prüfte, ob er Herzschläge hörte. Er begann, wie er es gelernt hatte, zweihändig eine Herzmassage durch Druck auf ihr Brustbein, doch ließ es bald sein, derweil ihm die Tränen kamen. Er sagte: «Guck, was du jetzt angerichtet hast!» Im Schneidersitz saß er neben ihr auf dem Bett, weinte, hielt ihre Hand, und sagte: «Was machen wir jetzt?» Und: «Was soll ich noch ohne dich?»
Irgendwann stand er auf und ging zur Toilette. Als er zurückkam, setzte er sich wieder in den Sessel und starrte auf das Bett. Er dachte an die Kinder, an seine Mutter. Wie konnte er zu Hause erzählen, was hier passiert war? Immer wieder hoffte er, dass sie doch nur bewusstlos war, dass sie sich gleich regen und aufrichten würde. Er starrte auf ihren Körper, ob er nicht doch eine Bewegung gesehen hatte, aber der regte sich nicht. Allmählich wurde es draußen dunkel. Er überlegte, ob er einfach verschwinden sollte, alles Notwendige in eine Sporttasche packen, die Tür abschließen und dann weg. Vor morgen Mittag würde keiner fragen. Aber wohin?
Immer wieder kam ihm der Gedanke: Es musste wie ein Unfall aussehen, dann war es nicht ganz so schlimm. Oder ein Herzinfarkt oder so was. Aber das würden die Ärzte überprüfen. Es musste so sein, dass man das nicht überprüfen konnte. Melinda hatte ja immer im Bett geraucht, auf ihrem Nachttisch stand noch der Aschenbecher, halbvoll mit Kippen.
Alan brauchte Stunden, um zu einem Entschluss zu gelangen. Er wollte ja auch nicht das ganze Hotel in Flammen aufgehen lassen, nur das Zimmer, nur etwas Rauch, nur dass Melinda – nicht verbrannt, aber eben Rauchvergiftung, dadurch tot, während er noch mal unterwegs war, um zu telefonieren. Oder besser: Er schläft, sie raucht, und dann passiert es, und er muss flüchten.
Schließlich nahm er ihr Feuerzeug, das auf dem Nachttisch lag, und hielt die Flamme unter eines der dicken Kissen. Erst wollte es nicht brennen, es gab nur schwarze Flecken auf dem Bezug, daher nahm er den
Guardian
, den sie mittags in der Stadt gekauft hatten, zerknüllte ein paar Blätter und stopfte sie hinter das Kissen. Dann ging es ziemlich zügig: Es gab Rauch, viel Rauch, er hustete, hustete endlos, er musste raus aus dem Zimmer, Tür hinter sich zu und die Treppen hinunter. Er rief:
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