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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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«
Fire, Fire!»
, und rannte auf die Straße. Da standen schon Leute, die zu seinem Fenster emporschauten, aus dem schon dicker schwarzer Qualm kam.
    Alan stand mitten auf der Straße mit seinen strubbeligen Haaren, barfuß, in Unterhose und rotem T-Shirt und schaute zum Fenster empor, während ihm die Tränen die Wangen hinunterliefen. Die Hotelchefin kam, mit hochrotem Kopf, und beschimpfte ihn: «Was haben Sie mit meinem Zimmer gemacht? Was zünden Sie mir das Haus an?!» Sie fragte, wo sein
wife
sei, er zog die Schultern hoch und ließ sie fallen, schaute sie mit seinen roten Augen an und sagte nichts. Die Frau fragte, wer wohl da oben Feuer machen konnte. Alan sah sie an, sagte: «
Smoking»
, und machte eine Geste, als würde er rauchen.
    Die Feuerwehr war sehr schnell da, Alan rührte sich nicht. Er sagte nur, mehr zu sich selbst: «
Too late»
, deutete mit Armbewegungen und Gesten an, dass es zwecklos sei, da oben hinzugehen. Die Polizei nahm ihn mit auf die Wache. Er fror etwas und bat um ein Glas Whisky.
     
    Die Polizei vermittelte Alan kulant an den besten Strafverteidiger der Stadt. Nie kam es ihm über die Lippen, dass er wütend gewesen wäre auf Melinda. Traurig habe sie ihn gemacht. Besorgt sei er gewesen, immer erneut besorgt, um sie selbst, ihre Unvernunft und um die Kinder. Das Landgericht verurteilte Alan wegen Totschlags zu fünf Jahren. Der Staatsanwalt hatte neun Jahre gefordert, Melindas Schwestern als Nebenklägerinnen die Höchststrafe. Nach zweieinhalb Jahren wurde Alan zur weiteren Verbüßung nach England verlegt.
    Sein Anwalt suchte ihn ein letztes Mal im Mannheimer Gefängnis auf. Als er heimfuhr nach Heidelberg und den Flughafenbus der Lufthansa überholte, dachte er, dass irgendetwas dran war an diesem zähen, nervtötenden Alan C. Boves. Etwas, das diese blassen, hühnerbrüstigen Engländer befähigt hatte, ein tropisches Weltreich zu erobern. Und wieder zu verlieren.

Siegfried
    Als der Direktor der Haftanstalt Tegel die letzte Hoffnung aufgegeben hatte, aus Siegfried Lehmann noch zu beider Lebzeiten zumindest einen halbwegs erträglichen Strafgefangenen, wenn schon keinen gesetzestreuen Bürger zu machen, verlegte er ihn nach Celle. Dort, in diesem steinalten Gefängnis, begann das Wunder. Der Chef nahm ihn in Empfang und sagte, wenn er sich zwei Jahre lang ordentlich führe, dürfe er zurück nach Berlin. Und tatsächlich: Der Engel der Friedfertigkeit behütete Siegfried in Celle und geleitete ihn auf all seinen Wegen. Jetzt war er nicht nur zurück in Berlin, sondern seit der knastnahen Haltestelle Holzhauser Straße ungefesselt in der U-Bahn unterwegs in Begleitung zweier Beamter in Zivil. Es ging zum Antigewalttraining.
    Siegfried, der so manchen Kampf zwischen Männern siegreich bestanden hatte, womit jetzt aber Schluss sein sollte, war schätzungsweise 1  Meter  90 groß, die Figur kräftig, aber nicht dick, der Kopf wie mit der Axt geschnitzt, und auch sprachlich hatte er so seine Möglichkeiten. Jedenfalls konnte er alles ausdrücken, was er sagen wollte, und beendete jeden zweiten Satz mit einem nur ansatzweise fragenden, Zustimmung einfordernden «Wa?!».
    Nun, in der U-Bahn, schwieg er jedoch. Die Beamten, ein älterer und ein junger Kollege, saßen ihm gegenüber und erweckten nicht unbedingt den Anschein, etwas mit ihm zu tun zu haben. Bei dem Jungen jammerte und vibrierte auf einmal das Handy am Hosengurt; außerhalb der Anstalt, zumal bei Ausführungen, darf, ja soll der Beamte ein Handy dabeihaben. Es war etwas Dienstliches, und der aufmerksame Zuhörer konnte erraten, dass der Angerufene im Gefängnis arbeitete, dem größten Gefängnis Deutschlands, aus dem einst auch Franz Biberkopf entlassen wurde, den es aber in Tegel den Akten zufolge nie gegeben hat, wohl aber Siegfried, der war da nicht zum ersten Mal.
    Der aufmerksame Zuhörer stand nahe bei den Beamten, lyrisch um eine Haltestange gedreht. Er war auch schon dreimal in Tegel gewesen, als Insasse, und seither hatte er Vorurteile gegen «Schließer», wie er sie etwas konservativ nannte, eigentlich keine Vorurteile, sondern eine tiefgehende, im Grunde ungerechte Feindschaft, denn sie waren von der anderen Seite. Die von der anderen Seite bleiben immer die von der anderen Seite, und im Knast hatten sie Macht über einen. Hier draußen aber nicht. Und jetzt hatte er hier zwei vor der Flinte, die gehörten offenbar zusammen und fanden das gar nicht lustig, dass er sie ansprach: «Ey, Schließer, gleich

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