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Mord

Mord

Titel: Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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fuhr er anschließend durch Deutschland und fragte sich, ob er sich stellen sollte oder nicht. Irgendwo im Rheinland ging er schließlich zur Polizei und sagte: «Ich werde gesucht, ich will meine Strafe absitzen.» Die Beamten wollten ihm erst nicht glauben und ihn wegschicken, aber dann schauten sie brav in die Fahndungsliste und wunderten sich sehr.
     
    Wollte man alles erzählen, was Siegfried gemacht hat und wofür er bestraft wurde, würde dies hier länger als die
Odyssee
. Es war, sagen wir es kurz, fast alles dabei: immer wieder Diebstahl, so Subtiles wie Dulden des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, 1980 auch Gefangenenmeuterei, Betrugsdelikte. Einen Hafturlaub hat er etwas ausgedehnt, ist nach Frankreich gefahren, um richtig Urlaub zu machen. Mit einem Boot wollte er die Kanäle abfahren, aber dann wurde er von drei Algeriern überfallen. Einer schlitzte ihm mit dem Messer von hinten den Oberschenkel auf, und Siegfried wachte erst im Krankenhaus wieder auf. Auf dem Heimweg nach Berlin wurde er an der Grenze festgenommen und kam in Saarbrücken in Haft. Als er noch 38  Tage zu verbüßen hatte, wurde er entlassen; zum Absitzen der Reststrafe sollte er sich in Moabit melden. Stattdessen zog Siegfried lieber in Berlin herum und lernte sofort eine Frau kennen. Er war schließlich 26  Jahre alt und ein stattlicher Mann, geradeaus in der Äußerung seiner Wünsche. Was sollte er da zurück in den Knast? So eine neue Beziehung musste gepflegt werden. Scheiß auf die 38  Tage.
    Es begab sich nun zu dieser Zeit, dass Siegfried mit westdeutschen Touristen durch verschiedene Kneipen zog und frühmorgens gegen Viertel vor sechs eine «Sammelaktion» durchführte, um Geld für weitere Getränke zu bekommen: «Wollt ihr nicht auch mal was bezahlen?» Noch auf der Straße nahm er von einem den Hut und forderte alle auf, etwas reinzutun. Als ein Mann sich weigerte, ihm Geld zu geben, bedrohte er ihn mit einer Teppichmesserklinge, stieß ihn zu Boden und schlug auf ihn ein. Der Mann verlor das Bewusstsein. Siegfried ergriff den Bewusstlosen und schlug ihn mit Kopf und Oberkörper so stark auf die Kühlerhaube eines BMW , dass diese eingebeult wurde. Von der Polizei vorläufig festgenommen, griff er beim Abtransport die Beamten an, die ihn kaum bändigen konnten und Verstärkung rufen mussten. Im Wagen riss er so lange an den Handschellen, bis sie ab waren. Auf der Wache trat er den Tisch weg und rammte mit dem Kopf die Zwischenwand. Er verletzte vier Polizisten. Wegen seiner Alkoholisierung wurde die Strafe gemildert, auf sieben Jahre wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
    Kampf hinter Gittern
    Wieder in Tegel wurde Siegfried Hausarbeiter, das heißt, er reinigte die Flure, brachte den Müll weg, holte das Essen. Im Herbst, zur Erntedankfestzeit, fanden in der JVA verschiedene Trinkgelage mit Aufgesetztem statt. Ein paar hatten bei ihm auf der Zelle gesoffen, berichtete Siegfried, andere im Tagesraum. Gegen 21  Uhr  30 mussten alle Gefangenen zum Einschluss wieder in ihre Zellen. Das Haus war an diesem Tag nicht vollbesetzt, es gab jeweils nur einen Beamten für zwei Stationen. Deswegen schloss der Beamte nicht jeden einzeln ein, sondern ging den ganzen Gang runter, sperrte die Zellen erst mal nur auf und sagte den Leuten, sie sollten zu ihren Zellen gehen. Dann ging er auf die andere Station, um dort aufzuschließen. Also standen sie auf dem Gang und warteten, dass der Beamte zurückkam und sie einschloss. Vor Siegfried stand Gunther, sein Zellennachbar zur Rechten. Es kamen die Männer, die im Tagesraum getrunken hatten, unter ihnen auch der Müller und Hänschen Wendt. Hänschen war ein zierlicher, ängstlicher Gefangener, der sich aber stets um guten Kontakt zu den anderen bemühte.
    Müller fing Streit an mit Gunther, meinte zu ihm: «Wat kiekst du so, du Penner?» Es gab ein Wortgefecht zwischen den beiden. Siegfried lehnte am Geländer, die beiden streitenden Männer liefen auf dem Gang rechts von ihm aufeinander zu, Hänschen lief linksherum, er hatte seine Zelle direkt links neben Siegfried. Hänschen war jetzt hinter ihm, die anderen zwei vor ihm. Die fingen schließlich an, sich zu ohrfeigen. Und während Siegfried sich noch wunderte, was das sollte, er fand es albern, huschte Hänschen an ihm vorbei und umklammerte Gunther von hinten so, dass der Müller zuschlagen konnte und der Nachbar sich gegen die Schläge nicht

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