Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
Vom Netzwerk:
dass mehr hinter diesem Fall steckte, als irgendjemand ahnte, und dass er einer großen Sache auf der Spur war. Jetzt wusste er nicht einmal, ob es überhaupt noch einen Fall gab.
    Trotz Mr. Hugels launischen Ausbrüchen und Eigenheiten hatte der Detective eine hohe Meinung von ihm. Littlemore war sich sicher, dass Hugel den Fall lösen konnte. Die Polizei durfte doch nicht einfach so aufgeben. Und der Coroner schon zweimal nicht. Dafür war er einfach zu intelligent.
    Littlemore glaubte an die Polizei. Vor acht Jahren hatte er bei der Angabe seines Alters geschummelt, um als Nachwuchskraft für den Streifendienst akzeptiert zu werden, und seitdem war er bei der Truppe. Es war die erste richtige Stelle, die er je gehabt hatte, und er war dabeigeblieben. Er genoss das Leben in den Polizeibaracken kurz nach seinem Eintritt in den Dienst. Er genoss es, zusammen mit den anderen Cops zu essen und sich ihre Geschichten anzuhören. Natürlich gab es schwarze Schafe, aber er glaubte, dass sie die Ausnahme waren. Wenn man ihm zum Beispiel erzählt hätte, dass sein Held Sergeant Becker von jedem Bordell und Kasino im Tenderloin-Viertel Schutzgeld erpresste, hätte Littlemore geglaubt, dass man ihm einen Bären aufband. Und wenn man ihm erzählt hätte, dass der neue Polizeichef sich einen Anteil vom Kuchen beiseiteschaffte, hätte er einen für verrückt erklärt. Kurz und gut, der Detective sah zu seinen Vorgesetzten bei der Polizei auf, und Hugel hatte ihn enttäuscht.
    Aber wenn so etwas passierte, wandte sich Littlemore nie von demjenigen ab, sondern reagierte genau umgekehrt. Er wollte den Coroner wieder zurück an Bord holen. Er musste unbedingt etwas finden, um den Coroner davon zu überzeugen, dass der Fall noch nicht abgeschlossen war. Hugel hatte von Anfang an Banwell für den Täter gehalten; und womöglich hatte er damit recht.
    Allerdings vertraute Littlemore auf Bürgermeister McClellan noch mehr als auf Coroner Hugel, und der Bürgermeister hatte Banwell für die Nacht, in der Miss Riverford ermordet worden war, ein hieb- und stichfestes Alibi gegeben. Aber vielleicht hatte Banwell einen Komplizen – vielleicht sogar einen chinesischen Komplizen. Hatte Banwell nicht persönlich Chong Sing als Wäschereiarbeiter im Balmoral eingestellt? Und jetzt kam heraus, dass Miss Riverfords Mörder unter Umständen doch nicht derselbe Mann war, der Miss Acton überfallen hatte. Das hatte ihm Mr. Hugel ja gerade erklärt. Also konnte ein Komplize Banwells Miss Riverford umgebracht haben, und Banwell hatte Miss Acton angegriffen. Aber selbst wenn man von dieser Theorie ausging, so fiel Littlemore nun auf, war Hugel ein Lapsus unterlaufen. Der Detective hatte zwar eine hohe Meinung von den Fähigkeiten des Coroners, aber er hielt ihn nicht für unfehlbar. Hugel machte es bestimmt nichts aus, sich in einem Detail geirrt zu haben, wenn er dafür bei der ganzen Geschichte richtig lag.
    Daher wusste der Detective, dessen Gang nun wieder federnder wurde, dass ihm Arbeit bevorstand. Zuerst marschierte er zum Hauptquartier und stöberte Louis Riviere in seiner Dunkelkammer im Keller auf. Littlemore bat den Experten, ihm ein Umkehrbild der Fotografie mit dem Abdruck auf Elizabeth Riverfords Hals zu machen. Der Franzose versprach ihm die Aufnahme für den Abend. »Und können Sie es mir auch noch vergrößern, Louis?«
    »Warum nicht?«, antwortete Riviere. »Das Tageslicht ist gut.«
    Dann machte sich der Detective auf den Weg nach Norden. Mit dem Zug fuhr er zur Forty-second Street und schlenderte von dort aus zu Susie Merrills Haus. Niemand machte auf, also bezog er in einiger Entfernung auf der gegenüberliegenden Straßenseite Posten. Eine Stunde später trat die füllige Susie heraus. Der Riesenhut, den sie diesmal trug, wartete mit einem Obstbukett auf. Littlemore folgte ihr zu einem Child’s Lunch Room am Broadway. Sie setzte sich allein an einen Tisch. Littlemore wartete, bis sie bedient wurde, um zu sehen, ob noch jemand anderes auftauchte. Als sich Mrs. Merrill über ihren Teller Cornedbeef hermachte, ließ sich Littlemore auf den Stuhl ihr gegenüber gleiten.
    »Hallo, Susie«, begrüßte er sie. »Ich hab es gefunden – was Sie gesagt haben.«
    »Was wollen Sie hier? Verschwinden Sie. Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie sollen mich da raushalten.«
    »Nein, haben Sie nicht.«
    »Gut, dann sag ich es Ihnen jetzt«, knurrte Susie. »Wollen Sie, dass wir beide draufgehen?«
    »Wer soll uns denn was tun, Susie? Thaw ist in einer

Weitere Kostenlose Bücher