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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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Geistesstörung festgestellt. Den meisten anderen war erblicher Wahnsinn bescheinigt worden. Bei einer beträchtlichen Zahl der Insassen wäre es den Anstaltsärzten nicht möglich gewesen, anzugeben, was der Grund ihres Wahnsinns war oder ob sie überhaupt verrückt waren.
    Die Gewalttätigen und Tobsüchtigen wurden in Räume mit gepolsterten Wänden und vergitterten Fenstern verfrachtet. Die anderen wurden kaum beaufsichtigt. Es gab weder Medikamente noch Gesprächstherapie. Der medizinische Leitgedanke war die mentale Hygiene. Daher bestand die Behandlung aus frühem Aufstehen, gefolgt von leichter, aber zeitraubender Arbeit (vor allem das Pflanzen und Ziehen von Gemüse auf dem vierhundert Hektar großen Farmgelände um das Hospital), einem Gottesdienstbesuch am Sonntag, einem pünktlichen, aber faden Abendessen im Speisesaal um fünf, Damespiel oder anderen gesunden Zerstreuungen am Abend und frühem Zubettgehen.
    Der Patient in Zimmer 3121 verbrachte seine Zeit auf andere Weise. Dieser Patient verfügte auch über die Zimmer 3122 bis 3124. Im Gegensatz zu den anderen Insassen schlief er nicht auf einem schmalen Anstaltsbett, sondern in einem Doppelbett. Und er stand auch nicht früh auf. Da ihm Bücher nicht lagen, erhielt er per Post mehrere New Yorker Tages- und sämtliche Wochenzeitungen, die er bei pochierten Eiern studierte, während seine Mitpatienten in Massen zu ihrer Vormittagsarbeit auf die Äcker hinausgetrieben wurden. Mehrmals pro Woche traf er sich mit seinen Anwälten. Noch erfreulicher für ihn war, dass jeden Freitagabend ein Koch aus dem Delmonico’s kam, um ihm ein erlesenes Menü zuzubereiten, das er in seinem eigenen Speisezimmer zu sich nahm. Sein Kontingent an Champagner und Schnaps teilte er großzügig mit dem kleinen Stab von Matteawan-Wärtern, mit denen er nachts auch pokerte. Wenn er beim Pokern verlor, zerbrach er gerne Sachen: Flaschen, Fenster, gelegentlich auch einen Stuhl. Also sorgten die Wärter dafür, dass er nicht oft verlor: Für die paar Pennys, die sie beim Kartenspielen opferten, wurden sie reich entschädigt durch die Zahlungen, mit denen er sich von den Anstaltsregeln freikaufte. Und wenn sie ihm Frauen zu seinem Vergnügen brachten, schoben sie Beträge ein, die für sie ein kleines Vermögen darstellten.
    Letzteres war jedoch nicht ganz einfach. Die Frauen hereinzuschmuggeln war nicht das Problem. Doch der Patient in Zimmer 3121 hatte einen ganz bestimmten Geschmack. Er bevorzugte Mädchen, die jung und hübsch waren. Schon allein diese Anforderung machte den Wärtern das Leben schwer. Doch selbst wenn sie ein zufriedenstellendes Mädchen gefunden hatten, hielt sie trotz der fürstlichen Entlohnung nie länger als zwei Besuche durch. So hatten die Wärter nach lediglich zwölf Monaten ihre Reserven nahezu erschöpft.
    Die beiden Herren, die am Dienstag, dem 31. August 1909, um ein Uhr aus Zimmer 3121 traten, hatten lange über diese Schwierigkeit nachgedacht und eine zumindest für sie befriedigende Lösung gefunden. Sie waren keine Wärter. Einer von ihnen war ein korpulenter Mann mit einem überaus selbstgefälligen Gesichtsausdruck unter der Melone. Der andere war ein eleganter älterer Herr mit einer Uhrenkette über seiner Weste, einem hageren Gesicht und den Händen eines Pianisten.

     
    Nachdem McClellan seine Schilderung der Ereignisse im Acton-Anwesen beendet hatte, stand der Coroner hilflos stammelnd vor ihm.
    »Was haben Sie denn, Hugel?«, erkundigte sich der Bürgermeister.
    »Ich bin nicht informiert worden. Warum hat man mir nichts davon erzählt?«
    »Weil Sie Coroner sind. Und es wurde doch niemand umgebracht.«
    »Aber diese Verbrechen sind praktisch identisch«, protestierte Hugel.
    »Das wusste ich nicht.«
    »Sie hätten es gewusst, wenn Sie meinen Bericht gelesen hätten!«
    »Um Gottes willen, beruhigen Sie sich, Hugel.« McClellan forderte den Coroner auf, sich zu setzen. Nachdem sie die beiden Verbrechen ausführlicher erörtert hatten, erklärte Hugel, dass kein Zweifel bestand: Der Mörder von Elizabeth Riverford und der Angreifer von Miss Acton waren ein und derselbe Mann.
    »Großer Gott.« Der Bürgermeister klang betroffen. »Soll ich eine Warnung herausgeben?«
    Hugel lachte abschätzig. »Dass ein Mörder durch unsere Straßen schleicht, der es auf junge Frauen aus der besseren Gesellschaft abgesehen hat?«
    McClellan war verblüfft über den Ton des Coroners. »Ja, so was in der Richtung jedenfalls.«
    »Solche Täter greifen

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