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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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nicht wahllos irgendwelche Mädchen an. Verbrecher haben Motive. Die Leute von Scotland Yard haben den Ripper nie erwischt, weil sie die Verbindung zwischen den Opfern nicht gefunden haben. Sie haben gar nicht danach gesucht. Als sie sich erst mal auf die These verlegt hatten, dass sie es mit einem Verrückten zu tun haben, war die Sache verloren.«
    »Herrgott, Mann, Sie wollen doch nicht andeuten, dass der Ripper hier in New York ist?«
    »Nein, nein, nein.« Verzweifelt riss der Coroner die Hände hoch. »Ich meine nur, dass die beiden Angriffe nicht wahllos waren. Es gibt eine Verbindung. Und wenn wir diese Verbindung entdecken, haben wir unseren Mann. Sie müssen keine öffentliche Bekanntmachung herausgeben, Sie müssen das Mädchen unter polizeilichen Schutz stellen. Er wollte sie schon einmal umbringen, und jetzt ist sie die Einzige, die ihn vor Gericht identifizieren kann. Vergessen Sie nicht: Er weiß nicht, dass sie das Gedächtnis verloren hat. Er wird zweifellos versuchen, die Sache zu Ende zu bringen.«
    »Gott sei Dank habe ich sie in das Hotel geschickt«, ächzte McClellan.
    »Weiß sonst noch jemand, wo sie ist?«
    »Die Ärzte natürlich.«
    »Haben Sie es irgendwelchen Freunden der Familie erzählt?«, bohrte Hugel.
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Gut, dann ist sie fürs Erste in Sicherheit. Hat sie sich heute an etwas erinnert?«
    »Das weiß ich nicht. Bis jetzt konnte ich Dr. Younger noch nicht erreichen.« Der Bürgermeister überlegte, welche Möglichkeiten ihm offenstanden. Am liebsten hätte er sich mit General Bingham besprochen, seinem langjährigen Polizeichef, doch McClellan hatte Bingham erst im vergangenen Monat zum Rücktritt gezwungen. Bingham, der selbst völlig unbestechlich war, hatte sich geweigert, die Polizei zu reformieren. Bestimmt hätte er Rat gewusst. Dummerweise hatte sich Baker, der neue Polizeichef, bereits als außerordentlich unfähig erwiesen. Bakers einziges Gesprächsthema war Baseball und wie viel Geld man damit verdienen konnte. Hugel, überlegte der Bürgermeister, war einer der erfahrensten Männer bei der Truppe. Nein, was Morde anging, besaß er sogar die meiste Erfahrung von allen. Wenn er eine Bekanntmachung für überflüssig hielt, dann hatte er wahrscheinlich recht. Und für die Zeitungen wäre so etwas nur ein gefundenes Fressen, sie würden so viel Hysterie verbreiten wie möglich und den Bürgermeister mit Hohn und Spott überschütten, sobald sie vom Verlust der Leiche des ersten Opfers erfuhren – und dass sie es erfuhren, war unvermeidlich. Außerdem hatte er Banwell zugesichert, dass die Polizei versuchen würde, den Fall in aller Stille zu lösen. George Banwell war einer der wenigen Freunde, die dem Bürgermeister noch geblieben waren. Er beschloss, sich an Hugels Rat zu halten.
    »Also gut«, erklärte er. »Fürs Erste keine Bekanntmachung. Ich hoffe für Sie, dass Sie sich nicht irren, Mr. Hugel. Finden Sie diesen Mann. Gehen Sie sofort zum Haus der Actons, und übernehmen Sie dort die Leitung der Ermittlungen. Und richten Sie bitte Littlemore aus, dass ich ihn sofort sehen will.«
    Hugel protestierte. Er wischte seine Brille ab und erinnerte den Bürgermeister daran, dass es nicht zu den Aufgaben eines Coroners gehörte, sich wie ein gewöhnlicher Detective in der Stadt herumzutreiben. McClellan schluckte seinen Ärger hinunter und versicherte dem Coroner, dass er einen derart heiklen und wichtigen Fall nur ihm anvertrauen konnte, weil er bekanntlich der tüchtigste Ermittler der gesamten Polizei war. Hugel blinzelte auf eine Weise, die sein vollkommenes Einverständnis mit dem Gehörten zum Ausdruck zu bringen schien, und erklärte sich schließlich bereit, zum Haus der Actons zu fahren.
    Unmittelbar nach Hugels Abschied bat McClellan seine Sekretärin herein. »Rufen Sie gleich George Banwell an.« Die Sekretärin teilte ihm mit, dass Mr. Banwell schon den ganzen Vormittag versucht hatte, ihn telefonisch zu erreichen.
    »Was wollte er?«, fragte der Bürgermeister.
    »Er war ziemlich unverblümt, Mr. Mayor«, antwortete sie mit gesenktem Blick.
    »Schon gut, Mrs. Neville. Was wollte er?«
    Mrs. Neville las aus ihren Kurzschriftnotizen vor. »Er will wissen, ›wer zum Teufel diese Miss Riverford ermordet hat, warum der verdammte Coroner so lange für die Autopsie braucht und wo sein Geld bleibt‹.«
    Der Bürgermeister stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wer, warum und wo. Fehlt nur noch wann.« McClellan sah auf die Uhr. Auch das

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