Mordgier
Blick auf den East River und das nächtlich erleuchtete Queens.
»Vielen Dank dafür, dass Sie mich empfangen.«
Seide raschelte, als sie die Beine übereinanderschlug. Eine Goldkette umschloss einen weichen weißen Hals. Für zusätzliches Glitzern sorgten zwei übergroße Ohrringe, ein Cocktailring mit einem dicken Amethyst und eine diamantbesetzte Lady Rolex.
»Ah-lex«, sagte sie. »Das ist ein beliebter rrussischer Njame. Haben Sie rrussisches Blut in den Adern?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Bitte sehrr.« Sie zeigte auf einen Beistelltisch, auf dem Kräcker, mit Zahnstochern aufgespießte Käsewürfel, eine offene Flasche Riesling und zwei Kelchgläser aus geschliffenem Glas standen. Gedämpfte Beleuchtung unterstrich die Aussicht auf den Fluss und war freundlich zu ihrem Teint.
Ich goss uns beiden Wein ein. Ihr erster Schluck veränderte das Flüssigkeitsniveau nicht. Ich trank weniger.
Beide lächelten wir und gaben vor, die Gesellschaft des anderen zu genießen. Wie bei einem schlechten Blind Date.
Sie hatte die fünfzehn Minuten, die ich zu Fuß von Korvutz’ Haus an der Park Avenue bis hierher gebraucht hatte, dazu genutzt, Make-up aufzulegen und einen kleinen Imbiss aufzutischen.
»Hat Mr. Korvutz Ihnen gesagt, worum es geht?«, fragte ich.
»Oh ja, njatürrlich.« Klirrende Stimme, slawische Untertöne. Kleine weiße Zähne zeigten sich, während ein schiefes Lächeln ein schelmisches Mädchen suggerierte. »Roland sagte, Sie wären sehrr njeugierig. Er sagte nicht , sehrr hübsch.«
Sie legte Käse auf einen Kräcker und knabberte daran. Spielte mit dem Zahnstocher.
»Sie denken, Djale hat vielleicht jemand umgebrracht.«
»Das ist möglich.«
»Okay.«
»Schockiert Sie das nicht?«
»Njatürrlich schockiert es mich. Kjäse? Er ist gut.«
Ich hatte meinen Vierzigdollarsalat im La Bella bezahlt, war aber gegangen, bevor er serviert wurde. Trotzdem hatte ich keinen Appetit auf irgendetwas anderes als Informationen.
Ich nahm mir einen Kräcker. »Bitte erzählen Sie mir von Dale.«
»Was gibt es da zu errzählen?«
»Was war er für ein Mensch?«
»Njett«, sagte Sonia Glusevitch. »Hilfrreich. Er half Menschen gerrn.«
»Hat er Ihnen geholfen?«
»Oh ja.«
»Womit?«
»Mit meinem Text, wie ich rredete, die Augen schminkte. Das ist anders.«
»Was?«
»Das Make-up für das Theater. Man muss ein Statement abgeben.«
»Hat Dale Ihnen das gesagt?«
Nicken.
»Dale hatte Erfahrung mit Make-up für das Theater«, sagte ich.
»Errfahrung, weiß ich nicht. Er war sehrr, sehrr gut. Künstlerrisch.«
»Haben Sie beide sich während Dark Nose Holiday kennen gelernt?«
»Oh ja. Ich war Neurona - eine Reisende im Gehirrn -, und Djale war Sir Axon. Er zeigte mir, wie man Licht und Dunkel benutzt.« Sie berührte ein Lid. »Djamit man auf der Bühne mysteriös aussieht. Djamit das Gesicht drramatisch wird.«
Roland Korvutz hatte Schauspieler beschrieben, die völlig in dunkle Gewänder gehüllt gewesen waren.
»Dann haben Sie sich also mit ihm angefreundet«, sagte ich.
Sonia Glusevitch trank von ihrem Wein. »Djale war ein wirklich freundlicher Typ.«
»Sie scheinen nicht überrascht zu sein, dass er als Mörder verdächtigt wird.«
»Alles kann eine Überraschung sein. Oder nichts, das hängt davon ab.«
»Wovon?«
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wenn Sie Menschen verrtrrauen, werden Sie überrascht.«
»Das tun Sie nicht?«
»Nicht mehrr«, erwiderte sie. »Mein Mann hat mirr jeden Tjag gesagt, er liebt mich. Jeden einzelnen Tjag, halb sieben, sobald er wach wurrde, sogarr vor der Zahnbürrste. ›Ich liebe dich, Sonny.‹ Bedeckte seinen Mund, damit sein Mundgerruch mich nicht stört.« Ihre Hand senkte sich auf ihren Unterleib, setzte ihren Weg bis zum Knie fort. »Er war Chirrurrg. Jeden Frreitag schenkte er mir Blumen, alle Frrauen waren eifersüchtig. Er arrbeitete so harrt, mein Stevie war Schönheitschirrurrg. Viele Stunden. Viele, viele, viele Stunden.« Ihre Zähne blitzten. »Er hat hübsche kleine puerrtorricanische Krrankenschwesterrn eingestellt. Jetzt ist er mit einer verheirratet.«
»Ah.«
Sie schlug die Beine andersherum übereinander. Stoff verschob sich, wobei die Seite eines fleischigen weißen Oberschenkels freigelegt wurde. Eine Sandale wippte.
»Sie lernten Dale kennen, als Sie verheiratet waren?«
»Oh ja.«
»Was für eine Beziehung hatten Sie beide zu einander?«
Schiefes Grinsen. »Sie wollen wissen, ob ich mit ihm geschlafen habe? Ein
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