Mordkommission
Tatorten bereits kannte, |40| hatten die meisten ungefragt eine Erklärung für uns bereit, warum sie gerade jetzt unterwegs waren. Der eine wollte »nur eben
den Müll rausbringen«, der andere »nach der Post schauen« und wieder einer anderen war eingefallen, dass sie »dringend Katzenfutter
besorgen« müsse. Wir ließen sie ihrer Wege ziehen, nachdem wir ihre Personalien notiert und eine Befragung angekündigt hatten.
Dazu hatte ich über die Einsatzzentrale einen Zug der Einsatzhundertschaft angefordert. Nachdem ich die Kollegen über die
Lage informiert hatte, machten sie sich daran, bei den Hausbewohnern Erkundigungen einzuziehen: über den Mieter der Tatwohnung
und das Opfer beziehungsweise verdächtige Wahrnehmungen. Tatsächlich fanden sich mehrere Nachbarn, die zwischen 2.30 und 3.30 Uhr Lärm und laute Schläge gehört hatten; ein Nachbar hatte auch eine männliche Stimme vernommen, die »Mach auf, lass mich
rein!« gerufen hatte. Einem anderen Bewohner war, als er gegen 3.30 Uhr zur Arbeit ging, aufgefallen, dass eine schwere Gummimatte fehlte, die gewöhnlich als Fußabstreifer innen vor der Hauseingangstür
lag; diese Matte fanden wir später auf der Kellertreppe. Diese Beobachtungen sprachen für die Möglichkeit, dass sich ein Fremder
im fraglichen Zeitraum Zutritt zum Anwesen und zur Tatwohnung verschafft haben konnte.
Eine Kollegin des Erkennungsdienstes kam in ihrem weißen Schutzanzug zu uns auf den Flur. Sie hielt eine Klarsichttüte in
die Höhe, in der ein Personalausweis steckte. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, als ich das fröhliche Gesicht auf dem Bild
betrachtete. Den Ausweis hatte die Kollegin aus der Hosentasche des Opfers gezogen. Ich notierte mir die Daten. Damit hatten
wir einen konkreten Ansatzpunkt für unsere Nachforschungen. Die Kollegin berichtete, dass in der Wohnung kein Gegenstand zu
finden sei, der als Tatwaffe in Betracht käme. Einer ersten Einschätzung nach musste der Täter mit einer Keule oder einem
klobigen Gegenstand auf das Opfer eingeschlagen haben. Ein Teil der Einsatzhundertschaft suchte bereits im Gebäude selbst
und im Umkreis des Hauses nach verdächtigen |41| Gegenständen. Aber auch sie fanden nichts. Schließlich wurden die Rollcontainer aus dem Müllhäuschen geleert und durchsucht.
Aber mit Ausnahme von geschätzten hundert weiteren leeren Kognakflaschen, die vermutlich aus der Tatwohnung stammten, wurde
auch hier nichts gefunden, was uns einen Hinweis auf die Tat oder den Täter gegeben hätte.
Nachdem ich einen Kollegen gebeten hatte, am Tatort die weiteren Maßnahmen zu koordinieren, fuhr ich mit zwei Angehörigen
meiner Dienststelle und einem Beamten des Erkennungsdienstes zu der im Ausweis vermerkten Adresse. Während der Fahrt rief
mich ein anderer Kollege zurück: Die Überprüfung der Personalien der Toten hatte nichts ergeben. Der Name tauchte nirgends
auf, die Frau war bislang offenkundig bei der Polizei ein »unbeschriebenes Blatt«. Sie stammte aus einer kleinen Stadt in
Norddeutschland und war seit mehreren Jahren in einem größeren Mietsblock am südlichen Stadtrand von München gemeldet.
Wir verschafften uns Zugang zum Anwesen und verharrten dann eine Weile lauschend vor ihrer Wohnungstür im zweiten Stock. Alles
war ruhig. Nachdem auf Klopfen, Klingeln und lautes Rufen niemand öffnete, bestellten wir einen Schlüsseldienst, der das Türschloss
aufbohrte. Die kleine Wohnung war einfach eingerichtet, aber sauber. Verschiedene Kleidungsstücke im Wäscheschrank und Kosmetikartikel
im Bad deuteten darauf hin, dass sie auch von einem Mann bewohnt wurde. Wir durchsuchten alle Ecken und Winkel und alle Behältnisse
nach Hinweisen auf die Personalien des Mitbewohners, ohne jedoch fündig zu werden. Dafür fanden wir die Adresse der Eltern
der Mieterin. Der Erkennungsdienstbeamte sicherte DNA-fähiges Material, um zu überprüfen, ob die Tote und die im Ausweis genannte
Christa B. tatsächlich identisch waren. Dieses wurde per Boten zur Auswertung in das Institut für Rechtsmedizin geschickt,
wohin auch die DN A-Abriebe von der Toten unterwegs waren.
Als wir mit der Durchsuchung fertig waren, ließen wir einen neuen Schließzylinder einsetzen und befestigten außen |42| an der Wohnungstür eine in einem Kuvert verschlossene Nachricht für den Mitbewohner. Wir teilten ihm mit, dass die Polizei
die Wohnung durchsucht hatte und die Schlüssel bei der zuständigen
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