Mordkommission
Polizeiinspektion hinterlegt waren. Wir baten den uns namentlich
unbekannten Untermieter darum, sich bei dieser Polizeidienststelle zu melden.
Am nächsten Vormittag erhielten wir schließlich die Gewissheit, dass der Personalausweis der Toten gehörte. Das Institut für
Rechtsmedizin hatte eine völlige Übereinstimmung der DN A-Spuren aus der Wohnung mit denen der Leiche festgestellt. Wir veranlassten daraufhin sofort, dass die Eltern der Getöteten durch
die Kollegen vor Ort verständigt wurden.
Über Nacht hatte Siegfried M. seinen Alkoholspiegel wieder so weit reduziert, dass er aus dem Krankenhaus entlassen werden
konnte. Die Beamten, die zu seiner Bewachung eingeteilt waren, brachten uns den Mann am Samstagvormittag ins Büro. Seine Bekleidung
hatte der Erkennungsdienst bereits unmittelbar nach seiner Einlieferung in die Klinik sichergestellt. Ich wollte mir gar nicht
näher ausmalen, welche Spuren an dieser seit Menschengedenken nicht mehr gewaschenen Kleidung wohl vorhanden sein würden.
Optisch zumindest war an den Textilien kein Blut festzustellen. Der Mann trug seit seiner Entlassung aus der Klinik blaue
Anstaltskleidung, die wir ihm besorgt hatten. Leider hatte Siegfried M. nicht zugleich mit der Kleidung auch seinen Geruch
gewechselt. Der Aufenthalt mit ihm im selben Büroraum erforderte trotz des weit geöffneten Fensters und des großzügig bemessenen
Einsatzes von Raumspray einen robusten Magen und viel Überwindung. Immerhin gelang es uns während dieser ersten kurzen Vernehmung,
einiges über die Tote zu erfahren.
Christa B. war seit Jahren die einzige Bezugsperson, die der Mann überhaupt noch hatte; ab und zu besuchte sie ihn und versuchte
– wie am Vorabend der Tat –, das Chaos in seiner Wohnung wenigstens ein bisschen zu mildern. Der Mann vor uns schilderte schleppend und von unappetitlichen
Geräuschen |43| unterbrochen, dass die Frau mit einem Kerl zusammenlebte. Er konnte uns sogar den Namen dieses Mannes nennen. Und er glaubte,
dass dieser Mann in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zusammen mit Christa B. in seiner Wohnung, also am Tatort, gewesen
war. Sicher könne er dies aber nicht sagen, dazu sei er zu betrunken gewesen. Nachdem Christa B. am Abend überraschend bei
ihm aufgetaucht war, hatte sie damit begonnen, leere Flaschen aus der Wohnung zum Müllcontainer zu bringen. Irgendwann hatte
ihn das genervt und so war er in seine Schlafnische geflüchtet und dort eingeschlafen. Am Morgen habe er dann Christa B. tot
am Boden liegend vorgefunden. Er habe keine Ahnung, was da in seiner Wohnung passiert sei.
Meine Kollegen und ich werteten die bisherigen Erkenntnisse aus. Sorgfältig wogen wir gegeneinander ab, was für beziehungsweise
gegen seine Täterschaft sprach. Aufgrund seines offenkundigen Alkoholkonsums und seines desolaten Gesamtzustandes hätte er
schwerlich die Kondition besessen, Dutzende Male mit großer Wucht auf das Opfer einzuschlagen. Es fehlte das Tatwerkzeug –
aber vor allem war keinerlei Motiv ersichtlich. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass gegen Siegfried M. beim aktuellen Stand der
Ermittlungen kein dringender Tatverdacht begründet werden könne. Daher veranlassten wir, dass der Mann bis auf Weiteres in
einem Männerwohnheim untergebracht wurde, da seine Wohnung beschlagnahmt und versiegelt worden war. Als Nächstes beschlossen
wir, uns den Untermieter der Toten einmal genauer anzuschauen. Wir hatten das kaum ausgesprochen, als ein Beamter der Inspektion
anrief, bei der wir den Wohnungsschlüssel hinterlegt hatten. Dort war ein Mann aufgetaucht, der sich als Lebensgefährte von
Christa B. ausgab und wissen wollte, wo seine Freundin sei und warum die Wohnung durchsucht worden sei. Ich bat den Kollegen,
den Mann ohne weitere Erklärung zur Vernehmung zu uns zu bringen.
Während wir uns mit Siegfried M. beschäftigt hatten, waren die Kollegen anderer Kommissionen nicht untätig gewesen und hatten
im Umfeld des Mordopfers interessante Erkenntnisse gewonnen. Die mit Hochdruck geführten |44| Ermittlungen zeigten schon bald, dass der Freund des Opfers, Ingo Z., auf Kosten seiner Freundin in den Tag hineingelebt und
ein bescheidenes Erbe seiner Freundin nach und nach in Alkohol umgesetzt hatte. Immer wieder war es deshalb zu Streitereien
zwischen den beiden gekommen. Am Vorabend der Tat hatte die Frau ihrem Freund unmissverständlich die Beziehung aufgekündigt
und ihn aufgefordert, ihre Wohnung zu
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