Mordkommission
Täter, die nicht selten
an den Folgen solcher Taten zerbrechen.
|158| »Erschlagen – Methode Kopf«
Es gibt Momente, da denke ich, mich verhört zu haben oder meinen Augen nicht trauen zu dürfen – manchmal nämlich werden Fakten
bekannt, die selbst abgebrühten Mordermittlern schier unglaublich erscheinen. Das war etwa so bei einem Mord, den die Kollegen
aus Schleswig-Holstein bearbeiteten. Die Tochter eines sehr vermögenden Unternehmers war in ihrer Wohnung erschlagen aufgefunden
worden. Alle Spuren deuteten darauf hin, dass der Täter die Wohnung ohne Gewalt betreten hatte, als sein Opfer im Bett lag
und schlief. Vermutlich hatte sie nicht die geringste Chance auf Gegenwehr, der Täter erschlug sie mit wuchtigen Hieben mit
einem unbekannten Gegenstand. Die einzigen tatrelevanten Spuren, die man am Tatort sichern konnte, waren gelbe Kunststofffibrillen,
ähnlich winzigen Textilfasern, die vermutlich von Kunststoffhandschuhen des Täters stammten.
Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, doch schließlich führte eine Spur nach München. Die Kollegen aus Norddeutschland
baten uns – wie gerade in Fällen mit hohem Spurenaufkommen üblich – um Unterstützung. Wir sollten den in München lebenden
Bruder der Getöteten, Stefan H., als Zeugen vernehmen.
Lange Zeit, nachdem wir den norddeutschen Kollegen das Protokoll übersandt hatten, kamen Beamte dieser Dienststelle selbst
nach München. Inzwischen hatten die Ermittlungen nämlich einen konkreten Tatverdacht gegen Stefan H. ergeben. Er hatte für
die Tatzeit ein Alibi angegeben und dieses mit einem gefälschten Arbeitszeitnachweis untermauert. Nachdem diese Fälschung
aufgeflogen war, rückte er in den Fokus der Ermittlungen. Hinzu kam, dass er – auch bei einem gewaltsamen Tod seiner Schwester
– eine erkleckliche Summe aus deren Lebensversicherung bekommen und später als Alleinerbe das Vermögen der Eltern erhalten
würde. Deshalb sollte nun die Wohnung von |159| Stefan H. durchsucht und er zur Beschuldigtenvernehmung mitgenommen werden.
Nachdem die Beamten Stefan H. eröffnet hatten, dass er im dringenden Verdacht stehe, seine Schwester getötet zu haben, begannen
sie mit der Durchsuchung. Im Flur waren sie rasch fertig und wandten sich nun dem Wohnzimmer zu. Da bestand Stefan H. darauf,
die Gangbeleuchtung wieder auszuschalten. Der Flur sei bereits durchsucht, schließlich bekomme er den Strom für die Glühbirne
nicht geschenkt. Dass man ihn beschuldigte, die eigene Schwester erschlagen zu haben, hatte indes keinerlei Reaktion bei ihm
ausgelöst.
Im weiteren Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass sich Stefan H. übers Internet einen Ganzkörperschutzanzug,
Handschuhe und eine Gummimaske bestellt hatte, die er offenbar während der Tat getragen hatte. Obwohl die Gegenstände nachweislich
an ihn geliefert worden waren, konnten sie nicht aufgefunden werden. Immerhin ließ sich eindeutig nachweisen, dass die am
Tatort entdeckten feinen Kunststoffpartikelchen von Gummihandschuhen aus einer Charge stammten, aus der auch Stefan H. beliefert
worden war. Doch damit nicht genug: Der Mitarbeiter der Firma konnte sich genau an den Kunden erinnern. Dieser hatte nämlich
nach dem Erhalt der Sendung bemängelt, dass an der Gummimaske, welche die verzerrte Fratze eines alten Mannes darstellte,
einige der aufgeklebten Haarsträhnen fehlerhaft befestigt waren. Deshalb handelte er den Betrag für die Gummimaske um drei
Euro herunter. Aus Sicht des Täters ein logischer Vorgang, wusste er doch, dass er die Maske nach der Tötung seiner Schwester
wegwerfen musste. Warum sollte er also für den nur kurzen Nutzen an einer schadhaften Maske den vollen Betrag bezahlen?
Für das erkennende Gericht gab es bei der Urteilsbegründung keinen Zweifel an der Schuld von Stefan H., nachdem auch die Internetverbindungsdaten
seines Computers ausgewertet worden waren. Da hatte der Beschuldigte nämlich Tage vor der Tat in der Suchmaschine Google nach
Informationen zum Thema »Erschlagen – Methode Kopf« gesucht!
|160| Obwohl ihm aufgrund von Herkunft, Bildung und Vermögen alle Möglichkeiten offenstanden, ein Leben auf der Sonnenseite der
Gesellschaft zu führen, waren es Geiz und Habgier, die Nächstenliebe und Barmherzigkeit besiegt haben. Umso bitterer muss
der Tod der Tochter für die Eltern sein, die ihre beiden Kinder durch eine so sinnlos erscheinende Tat verloren haben.
|161| Ein Fall
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