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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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weiter?« Engbers stand auf und lehnte sich gegen die Wand.
    »Er hat mich verfolgt.«
    »Mein Gott, jetzt reißen Sie sich mal zusammen. Wo haben Sie denn Konversation gelernt? Muss ich Ihnen jeden einzelnen Satz aus der Nase ziehen, verdammt noch mal!« Engbers verlor wieder die Geduld und Davídsson konnte es verstehen. So ein Verhör war ungemein anstrengend und die Informationen waren dürftig.
    Sie seufzte. »Heute würde man das Stalking nennen. Er hat mir überall aufgelauert, während meiner Ausbildung ist er mir jeden Tag zur Arbeit gefolgt und dann später auch. Er hat ganze Tage vor dem Haus verbracht und dort darauf gewartet, dass ich zu ihm herauskomme. Ich habe alles versucht, um das zu verhindern, und schließlich habe ich auch geheiratet, aber das hat ihn auch nicht davon abgehalten, mir überallhin zu folgen. Mein Mann ist schon nach zwei Jahren an einem Schlaganfall gestorben und ich war wieder alleine. Er hat all die Jahre nicht aufgegeben und mir schließlich angeboten, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich ihm bestimmte, vorher festgelegte Zeiten schenke.« Sie setzte ›schenke‹ in Anführungszeichen, die sie in die Luft malte. »Ich habe mich natürlich darauf eingelassen und von da an haben wir jede Woche ein paar Stunden miteinander verbracht. Er konnte sich aussuchen, was er in dieser Zeit mit mir machen wollte, aber Sex war tabu. Das war unsere Vereinbarung und an die haben sich beide Seiten gehalten.«
    Engbers setzte sich wieder auf seinen Platz.
    »Er hat Ihnen seit dieser Vereinbarung nicht mehr aufgelauert?«
    »Am Anfang hatte ich hier und da noch das Gefühl, dass ich ihn irgendwo hinter einem Baum oder in einem Auto gesehen hätte, aber das legte sich bald. Das lag wohl daran, dass ich fast mein ganzes Leben von ihm verfolgt wurde.«
    Engbers verstand, was sie meinte. Er hatte schon mit Kollegen gesprochen, die sich um Stalking-Opfer kümmerten. Das war ein undankbarer Job. Noch undankbarer als seiner.
    »Sie können sich sicher vorstellen, dass mich sein Privatleben deshalb nicht besonders interessiert hat.« Evelyn Schrauder sah ihn an, ließ sich aber keine Gefühlsregung anmerken.
    Vielleicht gibt es überhaupt keine Gefühle mehr, dachte Ólafur Davídsson. So ein Erlebnis verändert die Menschen.
    »Ja. Es tut mir leid«, sagte Engbers jetzt.
    »Sagten Sie nicht, dass er auch bei Ihnen gewohnt hat? Wie passt das zu Ihrer Geschichte?«, schaltete sich Davídsson jetzt ein.
    Sie sah ihn nur flüchtig an.
    »Das war eine Ausnahme.«
    »Erzählen Sie uns davon«, forderte Engbers sie auf.
    »Er war zu betrunken, um noch nach Hause zu fahren.«
    »Und was war mit einem Taxi?«
    »Irgendwie tat er mir da für einen Moment leid. Ich weiß auch nicht … Er wirkte sehr … zerbrechlich. Er lag auf der Couch und schlief wie ein kleines Kind. Ich wollte es nicht wecken.«
    Stockholmsyndrom, dachte Davídsson. Die Opfer sympathisierten plötzlich mit den Tätern. Das konnte sogar so weit gehen, dass das Opfer sich in den Täter verliebte oder sich mit ihm verbündete.
    Engbers sah zu Davídsson. Er wusste, dass Davídsson sich auf diesem Gebiet besser auskannte als er selbst.
    »War das das einzige Mal, dass Sie diese Art der Zuneigung empfunden haben?«
    Sie überlegte einen Moment. Er sah ihr an, dass sie ihre Antwort abwog, bevor sie etwas sagte. »Ja. Es war das einzige Mal. Ich habe ihn am anderen Morgen geweckt und an die frische Luft gesetzt. Dafür habe ich das Treffen am nächsten Wochenende ausfallen lassen.«
    »Hat er das akzeptieren können?«
    Sie nickte stumm.
    Davídsson gab Engbers ein kaum sichtbares Zeichen. Seine Fragen waren beantwortet worden.
    »Sie können jetzt gehen. Gegebenenfalls kommen wir aber mit weiteren Fragen auf Sie zu. Bitte halten Sie sich also zu unserer Verfügung.«

     

7
     
    Ó lafur Davídsson hatte Evelyn Schrauder durch die summende Tür gehen sehen. Das rote Licht, das anzeigte, dass der Verhörraum Nummer drei besetzt war, brannte auch jetzt noch. Sie war für ihn zu einem anderen Menschen geworden, obgleich er noch nicht genau wusste, was sich bei ihr geändert hatte. Davídsson setzte sich auf ihren Platz und musterte Engbers, der gedankenverloren dasaß.
    »Glaubst du ihr?«, fragte er schließlich.
    »Sie ist kompliziert. Was sie sagt, klingt logisch, aber die Art, wie sie es sagt, irritiert mich.« Es tut gut, wieder zu sitzen, dachte Davídsson, der während des gesamten Verhörs gestanden hatte und jetzt etwas steif war. Seine Arbeit

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