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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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an Schutzengel glauben konnte, ansonsten war es einfach nur ein glücklicher Zufall oder eine Laune der Natur.
    Das Curling musste jedenfalls in den nächsten Wochen oder vielleicht sogar Monaten ausfallen. Er dachte jetzt wenigstens an Marian Zajícek und nicht mehr an Evelyn Schrauder.
    Der Taxifahrer meinte es freundlich und versuchte die ganze Fahrt über, ein Gespräch mit Ólafur Davídsson in Gang zu bringen. Er berichtete ihm von den Problemen eines Taxifahrers, der fehlenden Limitierung von Lizenzen in Berlin und den Ausländern, die kaum Deutsch sprachen, aber trotzdem fahren durften. Der Taxifahrer empfand das als Ungerechtigkeit, Davídsson interessierte es nicht.
    Er sagte nichts, aber das schien den Fahrer nicht zu stören. Vielleicht ist er ja furchtbar einsam, dachte er stattdessen. Mitten in der Nacht an einem verlassenen Platz zu stehen, während andere zu Hause im Warmen fernsahen, konnte einsam machen.
    Trotzdem wollte er jetzt nichts hören.
    Er hatte kaum geschlafen und hatte sehr lange für das Anziehen und die Dusche gebraucht. Es war schon kurz nach zehn gewesen, als er das Haus verlassen hatte. Eigentlich musste er um neun im Büro sein, aber er wusste, dass Wittkampf nichts sagen würde. Nicht nach der Geschichte letzte Nacht.
    »Was macht ihr denn da in der Kaserne?«, fragte er, als sie am Ostbahnhof vorbeifuhren.
    Arbeiten, dachte Davídsson, aber er blieb stumm.
    »Da waren ja schon alle Möglichen drin. Erst war es die Königliche Kavallerie-Telegraphen-Schule, dann kamen die Nazis mit ihrer Heereswaffenmeisterschule der Wehrmacht.« Er spreizte zwei Finger von der Hand am Lenkrad ab. »Damals wurden auf dem Gelände Waffen und Munition zur Panzerabwehr erprobt. Soviel ich weiß auch in unterirdischen Schießständen. Gibt’s davon noch was zu sehen?«
    Davídsson zuckte mit den Schultern. Er hatte nur halb zugehört.
    »Nach dem Zweiten Weltkrieg war ja dann die sowjetische Denkmal-Bauverwaltung dort untergebracht. Dann hieß das Gelände ja wohl eine Zeit lang auch Ernst-Schneller-Kaserne. Da war dann die Volkspolizei dort, dann kam die Politoffiziersschule und später die Grenztruppen der DDR. Das müsste dann 1962 gewesen sein.«
    Er hielt jetzt nur noch einen Finger nach oben. Die fünf anderen musste man sich denken.
    »Nach der Wende war dann die Bundeswehr für ein paar Monate da und dann kamen die Asylanten.« Er lachte, als hätte er einen Scherz gemacht.
    »Das muss man sich mal vorstellen: Erst die Elite und dann das Pack, das mir heute meine Arbeit wegnimmt. Und dann kamt ihr, nachdem das ganze Areal von 1996 bis 1999 denkmalgerecht saniert worden war. Das war sicher auch nötig gewesen.« Er lachte wieder.
    »Jetzt hören Sie aber mal auf mit Ihren ausländerfeindlichen Ansichten!« Davídsson fühlte sich nicht persönlich angegriffen. Er wusste, welche Ausländer der Taxifahrer meinte, aber er fand es trotzdem abstoßend.
    »Ja, ja. Ihr Saubermänner habt ja auch Arbeit, die diese Ausländer nicht machen dürfen«, sagte er.
    Sie waren gleich am Ziel. Davídsson gab kein Trinkgeld, als er den Wagen vor der Pforte verließ. Der andere sagte etwas, aber er hörte gar nicht mehr hin.
    Es hatte angefangen zu regnen, bevor Davídsson das Gebäude erreichte, in dem sich sein Büro befand. Es sah tatsächlich ein wenig wie eine Kaserne aus. Er hatte sich nie mit der Geschichte des alten Klinkerbaus beschäftigt, weil es ihn nie besonders interessiert hatte.
    Faktisch konnte man sich sowieso mehr wie in einem Gefängnis als in einer Kaserne fühlen. Es gab überall hohe und stabile Zäune, Kameraüberwachung, Infrarotbewegungsmelder und Stacheldraht. Er hatte schon einige Kollegen witzeln gehört, die die Anlage als moderne Raubritterburg bezeichneten.
    Das Telefon klingelte, als er sein Büro erreichte. Er hatte es schon gehört, als er über den Flur gelaufen war, aber er verspürte keine besondere Lust, den Anruf anzunehmen. Ein kurzer Blick auf das Display hatte ihm außerdem verraten, dass es niemand war, den er kannte.
    Er nahm seine Tasse und ging erst einmal in die Kaffeeküche. Das war im Augenblick wichtiger. Auf dem Rückweg ging er an dem Büro seines Chefs vorbei, das aber unbesetzt war.
    Jetzt war ihm nach Reden zumute.
    Das Telefon klingelte wieder oder immer noch, als er sich auf seinen Stuhl setzte. Ein Kollege von der Sicherungsgruppe musste ihm eine Zeitung auf den Tisch gelegt haben. Das kam manchmal vor, wenn sie kein Interesse mehr daran hatten oder

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