Mordlast
ist?«
»Bis jetzt noch nicht, aber ich hatte vor, Evelyn Schrauder danach zu fragen.«
Die Luft in dem Raum wurde stickig und Engbers öffnete das Fenster wieder. Auf dem Boden bildete sich langsam eine kleine Pfütze.
»Haben wir sonst noch etwas Verwertbares in der Wohnung gefunden?«
»Wir sind noch dabei, die Ordner auszuwerten, und die Kunstgegenstände werden von einem Gutachter bewertet.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Das Gutachten oder die Sichtung der Ordner?« Rach beobachtete das Wasser auf dem Boden. Es wurde immer mehr.
»Keine Angst, wir werden nicht ertrinken.« Engbers grinste breit. »Beides. Wie lange braucht ihr für beides?«
»Das Gutachten dauert mindestens einen Monat, die Ordner vermutlich noch länger. Sie sind nicht beschriftet und auch nach keinem erkennbaren Muster sortiert. Typisch Künstlerchaos, würde ich sagen.«
»Wir brauchen Anhaltspunkte. Die Presse …«
»Ich weiß, aber ich kann auch nicht zaubern«, fiel ihm Rach ins Wort.
»Ja. Das weiß ich auch, aber ich wollte nur auf den Druck aufmerksam machen, dem wir im Moment ausgesetzt sind.«
»Ja. Ich tue mein Möglichstes.«
Über Nacht war der Sommer gekommen. Die Hitze war noch nicht in die Räume vorgedrungen, aber trotzdem hatte sich auf Engbers Stirn eine dünne Schweißschicht gebildet.
Davídsson sah, dass er angespannt war, obwohl es Engbers nicht mit der Innenrevision zu tun bekommen hatte.
Sie warteten darauf, dass Evelyn Schrauder sich auf den freien Stuhl setzte. Hinter der verspiegelten Glasscheibe beobachteten Schröder und Glockenmann die Vernehmung. Wittkampf hatte sie davon abhalten können, das Verhör im gleichen Raum mitzuverfolgen. Er wusste, dass man Freiraum brauchte, um eine Person in die Enge treiben zu können. Auch er beobachtete sie durch die Scheibe, die Evelyn Schrauder argwöhnisch betrachtet hatte, als sie den Raum betreten hatte.
Engbers stand auf. Bevor er etwas sagte, schaltete er die Videokamera an und dann das Diktiergerät mit dem beinahe unsichtbaren Mikrofon.
»Anwesend bei der heutigen Zeugenvernehmung sind Polizeihauptkommissar Siegbert Engbers, Kriminalanalyst Ólafur Davídsson, BKA, und die Zeugin Evelyn Schrauder.« Er warf einen kurzen Blick auf ihr pastellfarbenes Kostüm und nannte dann Datum, Uhrzeit und Aktenzeichen.
»Frau Schrauder, wir haben Sie heute noch einmal hierher gebeten, um ein paar Fragen zu klären, die sich im Laufe der weiteren Ermittlungen um den Mord an Bernd Propstmeyer ergeben haben.«
Sie sah ihn an, als wüsste sie nicht, wovon er redete. Davídsson hatte bei ihr keine Hinweise auf Nervosität feststellen können. Entweder konnte sie sie gut verbergen, oder sie war tatsächlich so eiskalt, wie sie sich gab. Ihre Augen sprachen für Letzteres.
»Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen noch helfen könnte, wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt so bezeichnen kann.«
Engbers breitete eine Auswahl der Bilder aus den Glaskästen vor ihr aus. Davídsson wusste, dass sie noch immer unverändert ein paar Räume weiter gegen die Wand gelehnt standen und dass an die Stellen der fehlenden Bilder kleine gelbe Zettel getreten waren, auf denen Engbers deren Nummern vermerkt hatte. Er war selbst dabei gewesen, als Engbers die Bilder ausgewählt hatte, die er jetzt auf dem Tisch verteilte.
»Kennen Sie diesen Jungen?«
Sie sah ihn an, ohne den Bildern Beachtung zu schenken.
Davídsson glaubte jetzt eine Veränderung in ihrem Auftreten zu beobachten. Diese Bilder lösten etwas in ihr aus, womit sie nicht gerechnet hatte. Sie waren auf dem richtigen Weg.
»Woher haben Sie diese Bilder?«
»Kennen Sie den Jungen?« Engbers wiederholte die Frage. Er hatte es ebenfalls bemerkt und wusste es zu nutzen.
Er ließ ihr viel Zeit.
»Er heißt Lukas«, sagte sie schließlich.
»Lukas …« Engbers vermied es, sie anzusehen, obwohl sie jetzt seine Blicke suchte.
»Propstmeyer.«
»Lukas Propstmeyer?«
Sie nickte.
»Also der Sohn von Bernd Propstmeyer?«
Sie nickte wieder. Dieses Mal energischer. So, als wäre die Geste eine Art Versicherung für ihre Zustimmung.
»Warum haben Sie uns nichts von ihm erzählt?«
»Weil …« Sie machte eine Pause und sie wussten, was sie als Nächstes sagen würde.
»Sie hatten nicht danach gefragt.«
Engbers seufzte. Genau damit hatte er gerechnet.
»Wo ist der Junge jetzt?«
Sie zögerte. Davídsson sah ihr an, dass sie alles dafür tun würde, die Antwort auf die Frage nicht zu geben. Sie würde sie so
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