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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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lange hinauszögern, bis sie die Frage vergessen hätten, wenn Engbers es zuließe. Aber er ließ es nicht zu.
    »Wo ist der Junge jetzt?«, beharrte Engbers.
    »Er wohnt bei meiner Mutter.«
    »Wie kam es dazu?«
    »Er wollte es so.«
    »Das klingt ziemlich vage. Wer wollte es so?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wer wollte es so?« Er betonte jedes einzelne Wort der Frage. Sein Blick verriet, dass er die Frage ernst nahm.
    »Bernd. Er wollte, dass Lukas bei meiner Mutter aufwuchs.«
    »Warum?«
    Die Antwort kam schnell. »Fragen Sie ihn.«
     
    Engbers hatte sich an einem Kiosk mit Zigaretten eingedeckt und rauchte jetzt vor dem Haus.
    Sie dachten schweigend an Lisa Schrauder und ihre Tochter. Mit beiden hatten sie ein Problem: Sie logen, was das Zeug hielt.
    Eigentlich hatten die beiden Innenrevisoren eine Manöverkritik angekündigt, aber Davídsson und Engbers waren sofort weggefahren und hatten die beiden Herren zusammen mit Wittkampf hinter der verspiegelten Scheibe zurückgelassen. Davídssons Chef war eingeweiht gewesen und hatte das Wiesel und seinen Partner davon abgebracht, sie aufzuhalten, indem er vorgab, über irgendeine wichtige Sache mit ihnen sprechen zu müssen.
    Davídsson war sich nicht sicher, ob das Verhör überhaupt etwas gebracht hatte. Sie wussten zwar jetzt, wer der Junge auf den Bildern war, aber vielleicht war es ja wieder nur eine weitere Sackgasse auf der Suche nach einem Weg zum Mörder.
    Vielleicht log der Junge ja genauso gerne. Und sie verschwendeten ihre Zeit.
    »Ab in die Räucherkammer«, sagte Engbers, als er seine Zigarette an dem Mauervorsprung ausgedrückt hatte. Davídsson hatte es für einen Scherz gehalten, aber er sah Engbers nicht grinsen. Er lächelte nicht einmal.
    »Rauchst du zu Hause auch?«
    »Auf dem Balkon. Meine Freundin ist abgehauen, wegen der Sucht.«
    Davídsson hätte ihn am liebsten gefragt, ob er deshalb versucht hatte, aufzuhören, aber er wollte nicht in der offenen Wunde bohren.
    »Frag ruhig.«
    »Was?«
    »Ich habe ihr tatsächlich zu viel geraucht. Sie wollte Kinder und die sollten rauchfrei aufwachsen.« Engbers suchte den Namen auf den vielen kleinen Schildern, die von der Ferne wie ein schwarzes Muster aussahen. Als er ihn gefunden hatte, legte er den Finger darauf, ohne die Klingel zu betätigen. »Mir war es das nicht wert. Wegen der Kinder mit dem Rauchen aufzuhören, war mir zu viel.« Er drückte den Knopf. »Erst, als sie ausgezogen ist, habe ich kapiert, was mir wichtiger ist.« Er lachte trocken auf. »Aber es war zu spät. Sie hat mir gestern gesagt, dass sie nicht mehr zurückkommt.«
    Die Tür wurde elektronisch geöffnet und sie betraten das Treppenhaus. Aus der Wohnung drang hässliche Musik, wenn man das klirrende und hämmernde Metall so überhaupt nennen konnte. Zwischendrin hörten sie eine Frau, die offenbar unter großen Schmerzen litt und die dabei so etwas wie einen Text sang. Er verstand Wortfetzen, die sich mit zerberstenden Gitarrensaiten vermischten.
    »Das ist Metal. Heavy Metal oder Death Metal oder noch schlimmer. Ich hab das früher auch mal gehört, in meiner Sturm-und-Drang-Zeit.« Engbers lächelte wieder, und dieses Mal war es ein offeneres Lächeln.
    Lisa Schrauder empfing sie wieder mit einer Zigarette in der Hand und Davídsson fragte sich in diesem Moment, warum Engbers nicht in der Wohnung geraucht, sondern es stattdessen vorgezogen hatte, auf der Straße zu rauchen.
    Sie nahm einen Zug an der Zigarette und ihr Gesicht verzog sich zu einer spitzen Fratze.
    Sie hatten sich bei ihr vorher nicht angemeldet. Niemand weiß, wo wir jetzt sind, dachte Ólafur Davídsson, dem klar war, dass das ein idiotischer Gedanke war. Evelyn Schrauder hatte es vor einer halben Stunde gesagt und alle hatten gehört, wo sie hinfahren würden. Wen sie besuchen müssten.
    Als Engbers zu einer Frage ansetzte, zeigte sie mit einem arroganten Gesichtsausdruck auf eine angelehnte Tür, aus der der Krach kam. Ihre Haare waren offenbar frisch gefärbt. Die grauen Stellen waren jedenfalls verschwunden.
    Für einen Augenblick schien Engbers unschlüssig, ob es einen Sinn hatte, an der Tür zu klopfen, dann entschied er sich dagegen. Stattdessen schob er die Tür auf und blickte auf einen Jungen, der im Schneidersitz in der Mitte eines beinahe quadratischen Raumes saß. Um ihn herum waren Schulhefte auf dem Boden verteilt. In eines der Hefte schrieb er gerade eine mathematische Gleichung: den Satz des Pythagoras. Seine Handschrift war beinahe

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