Mordlast
mädchenhaft ordentlich.
Lukas Propstmeyer musste zwischen sechzehn und siebzehn sein. Vielleicht sah er auch nur wegen der langen schwarz gefärbten Haare älter aus, die beinahe leblos von seinem Kopf hingen. Er trug eine schwarze eng anliegende Hose und ein ebenso schwarzes T-Shirt, auf das ein Totenkopf mit einer Dornenkrone gedruckt war. Die Farbe war an manchen Stellen schon verblasst. Davídsson konnte den Schriftzug über den Knochen nicht mehr entziffern, aber es musste ein Bandname sein, den er vermutlich ohnehin nicht gekannt hätte.
»Lukas?« Engbers blieb vor ihm stehen und kämpfte gegen die Lautstärke an. Er wusste nicht so recht, wie er mit ihm ins Gespräch kommen sollte. Das Alter war schwierig und jedes Wort konnte genau das falsche sein.
»Was wollen Sie von mir?« Der Junge sah zu ihnen auf und Engbers sah in leuchtende hellblaue Augen, die irgendwie nicht zu der harten Musik passten.
»Es geht um Ihren Vater.«
Der Junge stellte die Musik mit einer Fernbedienung leiser. »Mein Erzeuger. Er war nie ein Vater für mich gewesen.«
»Ich verstehe.«
»Haben Sie seinen Mörder gefunden?«
»Wir arbeiten daran. Wir waren in der Wohnung von deinem … von Bernd Propstmeyer und haben dort Bilder von dir gefunden.«
»Ja.« Er stand vom Boden auf und Engbers war erleichtert, dass er ihn jetzt nicht mehr von oben herab ansehen musste. Das machte es ihm leichter, mit ihm zu sprechen.
»Er war damals auf so einem seltsamen Vater-Sohn-Trip. Er hat versucht, eine Beziehung zu mir aufzubauen.«
»Aber das hat nicht geklappt.«
»Es hat ihn davor ja auch nicht interessiert.«
»Warst du mal bei ihm?«
»Nee. Darum hat er ein massives Geheimnis gemacht. Wir haben uns immer irgendwo in der Stadt getroffen.«
»Auch nicht hier?«
»Nee, das wollte er auch nicht.«
»Ich verstehe.« Engbers bemerkte die Ordnung, die in dem Zimmer herrschte. »Weißt du etwas über den Schwerbelastungskörper, oder hat er mal etwas darüber gesagt?«
»Nee.« Er sammelte die Hefte vom Boden auf und legte sie auf den Schreibtisch. »Ich hatte mal ein Schulprojekt über das Ding.«
»Über den Schwerbelastungskörper?«
»Irgend so eine Nummer, bei der wir unseren Bezirk besser kennenlernen sollten.«
»War das zu der gleichen Zeit, in der auch die Bilder entstanden sind?«
Davídsson wusste, dass Engbers neue Abzüge in Auftrag gegeben hatte, die er jetzt bei sich trug. Die Originale hingen seit ein paar Stunden wieder in den Schaukästen, die immer noch im Besprechungsraum auf den Tischen standen.
»Früher. In der fünften oder sechsten Klasse. Jetzt würde ich so einen Mist auch nicht mehr mitmachen. Das Ding sollte man sprengen.«
»Und was war das für ein Projekt?«
»Wir mussten Plakate machen.«
»Informationstafeln?«
»Ja. Die wurden dann vor dem Ding aufgestellt, damit jeder lesen konnte, was es früher einmal war.«
»Hast du dein Plakat noch?«
»Hängen alle in der Schule.«
»Und wie hieß der Lehrer?«
»Frau Meyer-Uhlmann. Das war sowieso eine Schreckschraube. Die gibt’s jetzt aber nicht mehr. Die ist nach uns in den Ruhestand gegangen. Sie hat zu uns immer gesagt, dass wir sie dahin getrieben hätten. Ohne uns hätte sie vermutlich noch mehr Klassen terrorisiert.«
»Glückwunsch.« Engbers grinste. »Ich kenne solche Tyrannen. Die wären früher sicher Sklaventreiber geworden.«
»Wie lange wohnst du schon hier?«, schaltete sich Davídsson ein. Ihm war ebenfalls die Ordnung in diesem Zimmer aufgefallen und die düsteren Plakate an den Wänden, obwohl sie nicht zum Rest passten. Selbst das Bett war gemacht und in dem Zimmer roch es kaum nach Zigaretten.
»Seit ziemlich langer Zeit.«
Vielleicht ist es ja eine Art Oase für ihn, überlegte Ólafur Davídsson. Er hatte sie sich geschaffen und verteidigte sie jetzt mit lauter Musik und schwarzen Plakaten an den Wänden. Sie dienten nur zur Abschreckung, um sich diese Oase zu erhalten und um Lisa Schrauder von dem Zimmer und von ihm fernzuhalten.
»Wie kam es dazu?«
Lukas zuckte mit den Schultern. »Mein Vater wollte mich nicht haben und meine Mutter hat es nicht alleine geschafft. Da haben sie mich zu meiner Großmutter abgeschoben. Das passiert doch dauernd irgendwo.«
»Lisa Schrauder ist deine Großmutter?« Davídsson sah ihm ungläubig in die hellen Augen.
»Ja. Mein Vater hat meine Mutter geschwängert, als sie zwanzig war.«
»Und deine Mutter ist Evelyn Schrauder?«
Dieses Mal nickte Lukas einfach, ohne etwas zu
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