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Mordlast

Mordlast

Titel: Mordlast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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sagen. Vielleicht ist er die Fragen ja leid, dachte Davídsson, aber wir brauchen jetzt dringend Antworten.
    »Sie hat uns etwas anderes erzählt.« Er bemerkte, wie zweifelnd sich das anhören musste, und schob deshalb gleich nach: »Sie hat uns gesagt, dass ihr Bernd Propstmeyer ständig nachgelaufen ist, und sie hat ihn sogar als Stalker bezeichnet.«
    »Nee, die beiden waren ein Herz und eine Seele. Evelyn hat alles gemacht, was er ihr gesagt hat. Das war die ganz große Liebe.« Er beschrieb mit seinen langen dünnen Armen einen großen Kreis, der das Gesagte vermutlich noch untermauern sollte. »Deshalb hatte Bernd ja auch plötzlich so ein schlechtes Gewissen, weil er von ihr verlangt hat, dass sie mich hierher abschiebt.«
    »Und was hat das alles ausgelöst?« Davídsson lehnte sich gegen einen Schreibtisch aus einem hellen Holz mit einer groben Maserung. Engbers tat es ihm gleich und der Junge setzte sich wieder auf den Boden.
    »Meine Mutter war drogenabhängig. Sie hat sich einen goldenen Schuss gesetzt und Bernd hatte wohl so etwas wie Schuldgefühle. Das hat aber natürlich nicht lange angehalten und er hat mich wieder fallen lassen.«
    »Wann war das? Wann hat sich deine Mutter den goldenen Schuss gesetzt«, fragte Engbers.
    »Keine Ahnung. Das ist jetzt vielleicht zwei Jahre her oder so. Das waren nur ein paar Wochen und dann war ich wieder alleine hier. Meiner Großmutter ist das alles scheißegal. Die qualmt und glotzt die ganze Zeit ihre beschissenen Talkshows. Manchmal lässt sie sich auch volllaufen und dann heult sie die ganze Zeit rum, aber ich war ihr noch nie wichtig.«
    »Und wo ist deine Mutter jetzt?«
    Lukas sah Ólafur Davídsson mit einem seltsamen Blick an, so, als würde er ihn für diese Frage hassen. Zumindest war es ein düsterer Blick, der zu der Geschichte passte.
    »Sie ist tot. Verreckt an den Drogen. Wissen Sie nicht, was ein goldener Schuss ist, oder was? Soll ich es euch aufschreiben? Meine Eltern sind beide tot und ich hatte gerade einmal ein paar Wochen als Kleinkind mit ihnen und noch ein paar Tage mit meinem Vater, dann war Schluss mit beiden. Ich bin Vollwaise und wohne bei einer Bekloppten, versteht ihr das?«
    Engbers sah Davídsson an. Sein Blick drückte genau das aus, was Ólafur Davídsson dachte.
    Die Frage, die sich beiden stellte.
    Die Frage, die wie ein Blitz durch ihre Köpfe gezuckt war und ihre volle Konzentration forderte: Wer war die Frau, mit der sie vor einer Stunde gesprochen hatten?
    Wie sollten sie Lukas Propstmeyer diese Frage stellen, ohne ihn noch mehr zu verletzen?
    »Gibt es noch andere Verwandte, außer deiner Großmutter?«, fragte Engbers schließlich. Diese Frage war neutral und unverfänglich.
    »Meine Tante.«
    »Und die heißt wie?«
    »Iris. Iris Schrauder. Ich weiß aber nicht, wo die durchgeknallte Tussi wohnt. Die war schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier. Auf jeden Fall ist sie noch schräger als meine Großmutter.«
    Als Ólafur Davídsson sich diesen Gedanken noch einmal genauer durch den Kopf gehen ließ, begriff er erst, was das eigentlich bedeutete. Was es bedeuten konnte.
    »Und als du das letzte Mal bei ihr warst. Wo hat sie da gewohnt?« Er war bemüht, ruhig zu bleiben, obwohl er spürte, wie sein Herz in der Brust schneller wurde und seine Hände zu schwitzen begannen.
    »Irgendwo in Charlottenburg, glaube ich.«

     

12
     
    I ch glaube, wir müssen noch einmal ganz zum Anfang zurück«, sagte Ólafur Davídsson.
    Sie waren mit Engbers Auto unterwegs. Er fuhr einen Passat, der langsam in die Jahre gekommen war. Davídsson hatte am Wochenende mit seiner Schwester nach Autos gesehen. Sie waren bei mehreren Autohändlern gewesen und er hatte sich die unterschiedlichen Modelle zeigen lassen, aber bisher hatte ihm keiner der Wagen zugesagt. Sie sahen irgendwie alle gleich aus, ohne besondere Merkmale, ohne Ecken und Kanten, einfach nur isomorph.
    Er wollte sich keinen neuen Saab kaufen, obwohl er das Auto gerne gefahren hatte. Der Saab hatte ihn an seine Heimat erinnert, auch wenn das Design aus Schweden stammte und die Produktion schon lange unter der Kontrolle von Ford war. Er wollte es vermeiden, dauernd an den Unfall erinnert zu werden, und das würde ein neuer Saab vermutlich tun.
    Er wollte etwas Neues. Etwas, an dem noch keine Erinnerungen hingen.
    »Wohin zurück?« Engbers konzentrierte sich auf den dichten Verkehr innerhalb der Stadt.
    Sie waren gerade erst losgefahren und steckten bereits im ersten Stau. Vor

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