Mordlast
Anrichte aus demselben Holz. Darüber hing eine Pendellampe, die zu der passte, die neben Engbers hing. Links neben Iris Schrauder stand eine alte Kommode im Flur und daneben hingen ihre verspielten Mäntel in zartem Rosa und frischem Gelb an einer frei schwebenden Garderobenkugel.
Sein Blick fiel auf die Schuhe darunter.
Sie sahen aus, als sei jedes Paar nur für einen Mantel bestimmt. Rosa, gelbe, grüne Schuhe und Sportschuhe mit schwarzem Lackleder und dem Buchstaben ›D‹ aus geschwärztem silberfarbenem Metall.
»Sind das Schuhe von Christian Dior?« Davídsson hatte seine Ledersneaker an diesem Tag nicht angezogen. Sie standen zu Hause in dem kleinen Flur mit Schuhspannern fixiert, um sie zu schonen. Er trug seine Schuhe nie an aufeinanderfolgenden Tagen, damit sie nicht die Form verloren und unansehnlich wurden, und vor allem gab es dann keinen Schweißgeruch.
Iris Schrauder sah ihn verwundert an.
Engbers warf einen flüchtigen Blick auf sie und dann auf die Schuhe.
»Beantworten Sie seine Frage.«
»Das sind Christian Dior Cannage Sportschuhe, ja.«
»Was für eine Sohle haben die?« Engbers kannte die Antwort bereits.
Er zog den Durchsuchungsbefehl aus der Tasche und legte ihn zusammengefaltet auf den Tisch, während er aufstand und zu den Schuhen ging. Er zog aus einer weiteren Tasche einen durchsichtigen Plastikbeutel und wickelte die Schuhe darin ein.
Iris Schrauder war nun auch aufgestanden und zu der Essecke gegangen, ohne einen Blick auf das Blatt auf dem Couchtisch zu werfen.
»Wie können Sie sich all das hier leisten?«, fragte Engbers jetzt.
Sie schmunzelte.
»Das zahlt alles mein Mann.«
Sie betrachtete sich in einem unsichtbaren Spiegel und richtete dabei ihre Haare.
Davídsson hatte im ganzen Haus keinen Spiegel gesehen. Vermutlich gab es einen im Badezimmer und vielleicht auch im Schlafzimmer.
»Er hatte einen Schlaganfall und ist seitdem in einem Heim. Er hat gut verdient, bevor …« Sie lehnte sich gegen die Anrichte und sah aus dem Fenster. Die Sonne hatte an Kraft verloren und blendete nicht mehr. »Wir waren gerade einmal zwei Jahre verheiratet, dann hat sich alles geändert. Ich war wieder alleine und er … Er sitzt im Rollstuhl und ist gelähmt.«
Engbers sah Davídsson fragend an. Er kannte die Frage, aber er konnte sie auch nicht beantworten. Vielleicht war es die Wahrheit, vielleicht waren es auch wieder nur neue Lügen. Sie mussten es herausfinden, aber Davídsson hatte keine Lust mehr dazu. Bei diesem Fall waren sie mehr belogen worden, als dass man ihnen die Wahrheit gesagt hatte, und das machte es ihm schwer, eine Antwort zu finden. Seine Arbeit als Kriminalanalyst zu machen.
Davídsson war weit davon entfernt. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren.
Er hatte wieder eine Nachricht von Martina Krug erhalten, obwohl er nicht einmal auf ihre erste geantwortet hatte. Ihm fehlte der Mut dazu. Er wollte sie nicht verlieren, obwohl er wusste, dass das eines Tages geschehen würde.
Seine Gedanken wanderten zu ihr und wieder zu ihm und dann befand er sich in einer anderen Welt.
Es gab nur noch sie und ihn.
Der Handyklingelton brachte ihn wieder zurück. Engbers nahm das Gespräch an.
»Ja. Engbers.«
»Wir haben was auf dem Schrottplatz gefunden. Die ganzen Kupferkabel.« Davídsson konnte Rachs Stimme hören. Er stand direkt neben Engbers und verstand jedes Wort. »Das Kupfer stammt von einem H07RN-F. Der Schrottplatzbesitzer hat schon gestanden, dass er Albaner mit der Beschaffung beauftragt hat.«
»Hat er etwas über das Datum gesagt, an dem die Kabel angeliefert wurden?«
»Das Datum passt. Er sagt, ein junger Albaner hat ihm das Kupfer am Nachmittag gebracht. Er hatte alles in seinem System vermerkt. Die Kosten für das Kupfer, den Tageswert und den Lagerort. Er sagt, er habe darauf gewartet, dass der Preis weiter steigen würde. Die Chinesen haben zurzeit einen enormen Kupferbedarf.«
»Schaffen Sie ihn in mein Büro. Ich will das Verhör leiten. Am liebsten ohne den Cowboy in Uniform.«
»Cowboy in Uniform?«
»Ritter. Er verschreckt die Leute, sodass sie nichts mehr sagen.«
»Ich verstehe. Ich sage Ihren Leuten Bescheid.«
Engbers steckte das Handy zurück und sah Iris Schrauder an. »Sie kommen auch mit. Meine Leute werden das Haus nach Spuren untersuchen.«
»Ich will dabei sein, wenn sie in meinen Sachen wühlen. Vielleicht geilt es euch Bullen ja auf, in meiner Unterwäsche nach Spuren zu suchen.«
»Bei jeder anderen Frau vielleicht.«
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