Mordlicht
Bestimmtheit sagen.
Auch steht noch nicht fest, ob es das Blut desselben Menschen ist, das wir auf
dem Teppich in Reiches Wohnzimmer gefunden haben.«
Endlich war es so
weit: Jürgensen nieste. »Ich ahne schon die morgige Schlagzeile in jener
Zeitung, in der kein solider Kripobeamter seine Fälle aufgemacht sehen will: Toter fährt Leiche im Kofferraum spazieren. Etwas kleiner: Kripo in der Provinz
tappt im Dunkeln. Und am Ende des Artikels ist zu lesen: Kriminalrat meint: Wie
immer.«
»Aha«, sagte
Christoph nur, während Große Jäger sich lautstark an seinem Telefon mit einem
unsichtbaren Gegner auseinander setzte.
»Das ist aber noch lange nicht alles«, fuhr Jürgensen fort. »Auf dem Teppich haben wir einen
handschriftlichen Zettel gefunden, mit dem wir noch nicht viel anfangen
konnten. Es sind sieben Zeilen, die nur aus Ziffern bestehen. Auf dem ersten
Blick ergibt die Notiz keinen Sinn. Wenn es sich um einen Code handelt, der
sich dahinter verbirgt, so haben wir ihn noch nicht geknackt.«
»Könnten es
Telefonnummern sein?«, fragte Christoph.
»Nein. Wie
Telefonnummern sehen die Zahlenreihen nicht aus. Vielleicht müssen die Werte
spalten- und nicht zeilenweise gelesen werden. Wie gesagt, daran arbeiten wir
noch. Wenn du möchtest, sende ich dir eine Ablichtung per Mail zu.«
»Gern. Habt ihr noch
mehr in der Wundertüte?«
»Sicher. Auf dem
Zettel fanden sich Fingerabdrücke. Die gleichen haben wir auch an der
zerbrochenen Skulptur gefunden, die übrigens die Tatwaffe zu sein scheint.
Zumindest sind Spuren des Blutes daran, das auch im Teppich und im Kofferraum
gefunden wurde. Und Haare sowie Hautspuren. Es hat offensichtlich ein Kampf
stattgefunden, in dessen Verlauf Reiche den Unbekannten niedergestreckt hat.
Doch zurück zu den Fingerabdrücken. Die erzählen eine interessante Geschichte.«
»Ihr habt sie
zuordnen können?«
»Nun wart’s doch ab.
Du erinnerst dich, dass wir an der Glastür des Palmengartens auch verwischte
Abdrücke gefunden haben, die nicht von Reiche stammen.«
»Die können
unmöglich mit denen in Reiches Wohnung identisch sein. Sonst würde es ja
heißen, dass sich Reiche und sein Mörder gegenseitig umgebracht haben. Und das
zu verschiedenen Zeitpunkten.«
»Haha. Wie lustig.
Trotzdem gibt es einen Zusammenhang. Beide, die aus Reiches Wohnung und die vom
Palmengarten, tauchen ein einziges Mal in unserer Datensammlung auf.«
»Wenn du mir jetzt
noch verrätst, zu wem sie gehören, ist der Fall fast gelöst.«
»Und genau an dieser
Stelle haben wir ein kleines Problem. Beide Fingerabdrücke wurden bei einem
Banküberfall hinterlassen. Die zwei Männer, zu denen die Abdrücke gehören,
haben 1996 in der Nähe von Frankfurt eine Bank überfallen. Einzelheiten dazu
müsstet ihr bei der örtlichen Polizei anfordern. Die liegen uns nicht vor.«
»Also bei den
Frankfurter Kollegen.«
Christoph hörte
Papier rascheln. »Nein, das war im Frankfurter Umland. In Bad Vilbel.«
Christoph bedankte
sich bei Jürgensen. Dann suchte er die Telefonnummer der Polizei in der
Kleinstadt, die nördlich von Frankfurt in der Wetterau liegt, heraus.
Es meldete sich eine
Frau mit »Polizei Bad Vilbel«, die ihn mit dem Wachhabenden verband, der ihm
erklärte, dafür sei die Kripo in der Kreisstadt zuständig.
»Und wie heißt Ihre Kreisstadt?«,
wollte Christoph wissen.
Sein
Gesprächspartner ließ ein kräftiges Schnauben hören.
»Das wissen Sie
nicht? Ein wenig Kenntnis in Geographie sollte man schon haben, selbst in
Schleswig-Holstein. Das ist Friedberg in Hessen.«
»Kennen Sie denn Husum?«
»Selbstverständlich«,
antwortete der Mann in Bad Vilbel. »Das ist ein Seebad, liegt da irgendwo bei
Lübeck. Kurz hinter Hamburg. Freunde von uns haben da mal Urlaub gemacht. Aber
auf der anderen Seite. Auf Wyk.«
Christoph ließ die
Ausführungen des Mannes unkommentiert. Es war ein bekanntes Phänomen, dass
viele Deutsche das nördlichste Bundesland schlichtweg vergaßen und keine
Vorstellungen von dessen Größe hatten. Für sie lag Hamburg fast an der
dänischen Grenze, dazwischen allenthalben ein schmaler grüner Streifen, in dem
eine Hand voll Kühe weidete. Dabei war Schleswig-Holstein das »schönste
Bundesland der Welt«, wie der Slogan des ersten deutschen privaten
Rundfunksenders bis heute lautet.
Christophs Versuch,
die Kripo in Friedberg zu erreichen, war ein Geduldsspiel. Er wurde ebenso
häufig weiter verbunden wie zuvor in Bad Vilbel.
»Erfolglos zu
versuchen, eine
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