Mordlicht
ganzen
Westküste.«
»Wer sagt das?«
»Ingo.«
Misstrauisch sah er auf. »Wer ist Ingo?«
Jetzt lachte sie. Dabei zeigten ihre Wangen zwei
kleine Grübchen.
»Bist du eifersüchtig? Ingo ist mein Friseur.«
Die Bedienung war an den Tisch herangetreten und nahm
Christophs Bestellung auf. Er hatte sich für eine Gulaschsuppe und ein
Mineralwasser entschieden. Dann wandte er sich wieder Anna zu.
»So ‘n Quatsch. Warum sollte ich eifersüchtig sein?
Schließlich bin ich verheiratet. Und das nicht mit dir.«
Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte ihr
Kinn auf die zusammengefalteten Hände und sah ihn nachdenklich an. Dabei zeigte
die Spitze ihrer Kuchengabel auf Christoph.
»Das vergisst du aber regelmäßig, wenn du bei mir
übernachtest.«
Christoph lehnte sich zurück und sah zum Nachbartisch,
ob man dort ihrer Unterhaltung folgte. »Wir müssen uns in Zukunft nicht mehr
treffen.«
Anna legte die Kuchengabel neben ihren Teller und
ergriff erneut Christophs Hand. Widerstrebend ließ er es zu. Sie beugte sich zu
ihm hinüber und flüsterte fast: »Lass den Blödsinn. Mir ist klar, dass du in
Kiel eine Familie hast. Und was zwei erwachsene Menschen hier in Husum
miteinander haben, geht außer uns niemanden etwas an. Ich finde, es sollte so
bleiben, wie es ist. Wie war das Wochenende in Kiel?«
Christoph trank einen Schluck Mineralwasser, bevor er
antwortete. »Merkwürdig. Als ich am Freitagabend zu Hause eintraf, war meine
Frau gerade damit beschäftigt, ihr kleines Reisegepäck ins Auto zu laden. Sie
hat sich dann sehr unterkühlt von mir verabschiedet und gemeint, sie müsse
übers Wochenende zu einem Seminar. Das schien mir sehr überraschend gekommen zu
sein.«
Anna schüttelte den Kopf. »Dummer Kerl. Bist du
wirklich so naiv und glaubst, dass deine Ehefrau nicht merkt, was hier in Husum
vor sich geht? Nun aber: Themenwechsel. Ich habe kurz mit meinem Chef
gesprochen. Der Doc meint, der Tote hat einen Schädelbasisbruch erlitten. Der
muss nicht tödlich sein. Durch die Schläge gegen die Wand sind aber wahrscheinlich
Gefäße im Gehirn geplatzt. Das führte dann zum Exitus.« Anna sah auf die Uhr.
»Oh, schon so spät. Ich muss wieder zurück in die Praxis.« Sie stand auf und
suchte nach ihrem Portemonnaie.
»Ich bezahle«, sagte Christoph.
Sie beugte sich zu ihm herab, gab ihm einen Kuss auf
den Mund und sagte: »Danke. Sehen wir uns heute Abend?«
»Lass uns später miteinander telefonieren. Ich kann
nicht absehen, was mich heute noch erwartet.«
Sie winkte ihm noch einmal über die Schulter zu und
verließ Jacquelines Café.
DREI
Die Stadt war in ein
düsteres Grau gehüllt. Der leichte Nieselregen ließ Christoph die Nase kraus
ziehen. Natürlich hatte er keinen Regenschirm dabei, als er zurück ins Büro
eilte. Unwirsch warf er die feuchte Jacke über den Garderobenhaken und
registrierte, dass die Teekanne leer war, verzichtete aber darauf, neuen Tee zu
kochen. Es war für ihn schon zur Selbstverständlichkeit geworden, dass Mommsen
stets für frisch gebrühten Tee sorgte.
Bist du wirklich mit
deinem Leben zufrieden?, fragte er sich selbst. Seit einem Jahr bist du jetzt
in Husum. Wie bequem war es in Kiel gewesen. Der Acht-Stunden-Job in der
Verwaltung, garantiert freie Wochenenden. Es gab keine Berührungspunkte mit den
Schattenseiten des Polizeialltags, keine Diebe, Betrüger, vor allem aber keine
Gewalttäter oder gar Mörder.
Aber würde man ihm
ernsthaft die Frage stellen, ob er wieder an seinen alten Schreibtisch
zurückkehren wollte, würde er doch Zweifel hegen. Wenn er ehrlich zu sich
selbst war, musste er sich eingestehen, dass er freiwillig nicht mehr aus Husum
fortwollte.
Er sah auf die Uhr.
Es war früher Nachmittag, als Große Jäger und Mommsen zurückkehrten.
Sie berichteten von
ihrem Einsatz in Leck.
»Jetzt haben wir
einen Toten, der vor seinem Ableben behauptete, selbst ein Mörder zu sein.«
»Manchmal ist es
ganz schön vertrackt. Wo ist diese verdammte Leiche abgeblieben? Harm, hast du
schon Kaffee gekocht?«, fasste Große Jäger alle Probleme in einem Satz
zusammen, die ihn derzeit beschäftigten.
Aus dem Hintergrund
des Raumes meldete sich Mommsen. »Ist in Arbeit. Und der Tee ist auch gleich
fertig.«
»Es hat den
Anschein, als ob in Reiches Wohnung ein Kampf stattgefunden hätte. Der
Blutfleck auf dem Teppich und die zerbrochene Keramikskulptur könnten Anzeichen
dafür sein, dass er tödlich endete. Unter diesen Umständen hätte Reiche
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