Mordlicht
Christoph hatte ihn dorthin geführt, wo Schöppe sich
überlegen fühlte. »Hunderttausend? Dafür ist das gute Stück nicht zu haben. Das
Dreifache müssen Sie schon hinlegen.« Der Mann klopfte mit der flachen Hand
leicht auf die Tischplatte. »Deutsche Wertarbeit. Drüben, an der
mecklenburgischen Küste, dort gibt es noch Werften, die so etwas bauen können,
obwohl die Polen mächtig Konkurrenz machen. Aber wie kommt es, dass Sie sich
fürs Segeln interessieren?«
»Ich bin Kieler«, wich Christoph aus. »Gehen Ihre
Geschäfte so gut, dass Sie sich ein solches Vergnügen leisten können?«
Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, änderte sich
Schöppes Gesichtsausdruck.
»Ich bin nicht der Eigner. Aber wollen Sie mir nicht
endlich verraten, was Sie zu mir führt?«
Doch Christoph wollte nicht vom geheimnisvollen Zettel
mit den verschlüsselten Telfonnummern berichten. »Ich vermute, das Schiff
gehört Frau Sabine Bruck-Hersanger?«
Die Antwort schob Schöppe nur zwischen einem
Lippenspalt hervor. »Ja.«
»Ebenso wie die Dame hinter der Nordic Financial
Consulting steckt?«
»Nein. Dort ist sie nur Geschäftsführerin, aber nicht
Gesellschafterin.«
»Wem gehört das Unternehmen dann?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich habe damit nichts zu
tun.«
»Frau Bruck-Hersanger ist auch Besitzerin der Wohnung
im Wikingerturm?«
»Das ist zutreffend. Aber warum fragen Sie mich das?«
»Sie selbst haben geschäftlich Schiffbruch erlitten.
Mit Ihrem Betrieb mussten Sie Insolvenz anmelden.«
»Die Zeiten sind schwierig.« Schöppe bewegte die
gepflegten Hände auseinander und ließ sie wieder auf seine Oberschenkel fallen.
»Es gibt viele Unternehmen, die am Markt scheitern. Häufig ist es nicht
Unvermögen der Geschäftsführung, sondern es sind widrige Umstände.
Beispielweise, wenn Kunden nicht zahlen und Liquiditätsengpässe eintreten.«
»Und dieser Umstand führte auch zur Insolvenz Ihres
Unternehmens?«
Schöppe sah Christoph unbewegt an. Kein Muskel zuckte
in seinem Gesicht.
»Gegen Sie ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen
Verdachts des Betrugs?«
»Aha, deshalb die Befragung.« Schöppe stand auf. »Ich
glaube, Sie sollten jetzt gehen. Der Verdacht ist absurd. Aber ohne meinen
Anwalt sage ich nicht.«
Wenigstens verwies er auf seinen Anwalt, dachte
Christoph. Was wäre gewesen, wenn Schöppe gesagt hätte: Ohne meinen
Reiseveranstalter sage ich nichts, wie es manche Protagonisten in einem
Fernsehwerbespot machen.
Christoph machte keine Anstalten, sich zu erheben.
»Wir sind weder vom Wirtschaftsdezernat, noch
ermitteln wir wegen Betrugs.«
»So, kommen Sie von der Verkehrspolizei?«
»Nein, wir sind von der Mordkommission«, erlaubte sich
Christoph einen kleinen Schwindel. Das zeigte Wirkung. Schöppe nahm wieder
Platz.
»Mordkommission?«, fragte er ungläubig. »Und was habe
ich damit zu tun?«
»Sie sind eine unserer Spuren. Können Sie uns sagen,
wie wir Frau Bruck-Hersanger erreichen können?«
»Die macht gerade mit Freunden einen Segeltörn in der
Südsee«, antwortete Schöppe irritiert. »Das wird auch noch eine Weile dauern,
bis sie wieder hier ist.«
Die beiden Beamten ließen einen in seiner Selbstsicherheit
arg getroffenen Mann auf der Segelyacht zurück.
Auf dem Weg zum Parkplatz sahen sie den Hausmeister,
der immer noch mit Fegen beschäftigt war. Christoph steuerte auf ihn zu.
»Ist Ihnen heute ein dunkler BMW aufgefallen?«, fragte er den Mann im grauen Kittel.
»Warum?«
»Wir sind Berater einer Versicherung. Und ein
missgünstiger Kollege der Konkurrenz bespitzelt uns, um uns die Kunden
abzujagen«, log Christoph. Der Hausmeister fühlte sich durch diese Anmerkung
eingeweiht. Er beugte sich etwas zu Christoph vor und senkte die Stimme, als
würde sie jemand bei diesem konspirativen Gespräch belauschen.
»Richtig. Da stand vorhin einer auf dem Parkplatz. Ein
dunkelblauer Dreier. Kennzeichen Hannover. Da ist ein Mann ausgestiegen. Der
kam mir gleich komisch vor. So ein älterer? Nicht zu dick? Dunkle Haare mit
grauen Schläfen? Und einer Glatze mittendrin? Der schlich hier so merkwürdig
herum. Und als ich ihn ins Visier genommen hatte, verkrümelte er sich schnell.
Wissen Sie, Versicherungsleute mag ich nicht leiden.«
Dann sah der Hausmeister Christoph an und wurde sich
bewusst, dass dieser sich auch als Vertreter ausgegeben hatte. »Entschuldigung.
Aber eine bestimmte Art von Versicherungsleuten ist mir unsympathisch«, bemühte
sich der Hausmeister um die
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