Mordlicht
Thorbensen in Ribe aufnehmen.«
Christoph rief den dänischen Polizeiinspektor an und
schilderte ihm sein Anliegen, nachdem er zuvor die Hintergründe in Stichworten
dargelegt hatte.
»Das ist überhaupt kein Problem«, kam es hilfsbreit
zurück. »Dann treffen wir uns morgen um zehn Uhr in Aabenraa. Wenn du über die
Autobahn reinkommst – du musst gleich das erste Schild mit die Abfahrt von das
Ziel nehmen – dann fährst du einfach weiter bis zu der Parkplatz an der Ecke
von Sønderjyllandshallen, wo die Gågade – ähh, die Fußgängerzone – links ist.
Da treffen wir uns.«
»Und wie erkenne ich dich?«, fragte Christoph, der
Thorbensen bisher nur vom Telefon her kannte.
Der Däne lachte. »Auch das ist kein Problem. Wir beide
sind Polizisten. Da kann man sich nicht verfehlen. Falls doch – ich bin ein
kleiner Dicker mit rote Haare und viele Sommersprossen.«
Es war erstaunlich, wie unkompliziert die
Zusammenarbeit mit den dänischen Nachbarn funktionierte. Auf der anderen Seite
der Grenze herrschte jener Pragmatismus im Umgang miteinander, der sicher auch
durch die Leichtigkeit der skandinavischen Lebensart bestimmt wurde. Leider war
diese auch einigen Persönlichkeiten zum Verhängnis geworden. Christoph dachte
an Olof Palme, der wie jeder andere Bürger mit seiner Frau ein Kino besucht
hatte und danach auf offener Straße ermordet wurde, oder an die schwedische
Außenministerin Lindh, die die Mittagspause nutzen wollte, um in einem nahen
Kaufhaus etwas zu besorgen. Wie tausend andere Beschäftigte. Christoph
erinnerte sich auch an eine Episode aus Stockholm, in der König Gustav Adolf in
einem Kaufhaus für seinen Sohn einen Computer zu Weihnachten erwerben wollte
und der Verkäufer seinen König nicht erkannte. Erst der herbeigerufene
Abteilungsleiter klärte das Missverständnis um die Kreditkarte auf. Lakonisch
dazu der Kommentar des Kronprinzen, der von diesem Vorfall aus der Presse
erfuhr: »Oh, jetzt weiß ich schon vor Heiligabend, was mir meine Eltern
schenken werden.« Allein die Selbstverständlichkeit, einander zu duzen, erleichterte
die Begegnung mit fremden Menschen. Es war die Unbekümmertheit der
skandinavischen Lebensweise, die nördlich der Grenze vieles einfacher
erscheinen ließ. Aber das half ihnen nicht weiter bei der Lösung der Probleme,
die diesseits der Grenze vor ihnen lagen. Dann werde ich im Kleinen beginnen
und meine ganz persönlichen Probleme in Angriff nehmen, dachte sich Christoph.
Als hätte eine Gedankenübertragung stattgefunden,
läutete sein Telefon.
»Na, du Grummelbart. Bist du immer noch maulig?«,
hörte er Anna Bergmanns Stimme.
»Wieso ich? Du hast doch zum verbalen Knüppel aus dem
Sack gegriffen.«
»Wenn wir jetzt wieder erneut zu streiten beginnen,
freut das nur die Telekom.« Sie ließ ein gurrendes Lachen hören. »Wollen wir
die Meinungsverschiedenheit nicht lieber im Nahkampf ausfechten?«
»Eine gute Idee. Beim Italiener?«
»Nööh«, kam es gedehnt über die Leitung. »Ich mache
uns was Schickes zum Abendbrot. So gegen acht bei mir?«
»Einverstanden. Was gibt es denn?«
»Schmachthaken – lass dich überraschen. Bis dann.« Er
hörte noch das schmatzende Geräusch eines angedeuteten Kusses. Dann war die
Verbindung unterbrochen. Gleich darauf meldete sich Frauke Dobermann.
»Ich wollte hören, ob es bei Ihnen in Husum etwas
Neues gibt?«, fragte die Leiterin der Mordkommission.
Christoph berichtete ihr vom bisherigen Stand der
Ermittlungen. Unerwähnt ließ er dabei, dass sie das Gefühl hatten, von einem
Unbekannten beschattet zu werden. Eine solche Blöße mochte er sich nicht geben.
»Wir verfolgen die Spur in Richtung gemeinschaftlich
begangenen Bankraub«, zeigte sich Frau Dobermann für ihre Verhältnisse
erstaunlich kommunikativ. »Außer den bereits bekannten Tatsachen haben wir aber
auch noch keine weiteren Erkenntnisse. Wichtig wäre es, die Identität des unbekannten
Toten aus Reiches Wohnung zu lüften. Noch schöner wäre es, wenn wir die Leiche
selbst finden würden.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Wir wären auch schon
glücklich, wenn wir das Motiv hätten. Oder einen Anhaltspunkt dafür, was die
uns in diesem Fall bisher bekannten Menschen miteinander verbindet. Ich habe
das Gefühl, dass die Betroffenen es selbst nicht wissen.«
»Wie geht es Ihrem Kollegen Mommsen?«, wechselte
Frauke Dobermann das Thema. Christoph sah den jungen Kommissar an und erinnerte
sich daran, wie die lebensfrohe Hauptkommissarin sich bei den
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