Mordlicht
Versuchen Sie es einmal
auf seinem Boot.«
»Wo finden wir das?«
»In der Marina, die zum Haus gehört. Dort liegt es.
Ein weißes Segelschiff, etwas größer. Sabine II heißt es.«
»Vielen Dank. Und Ihr Name ist?«, wollte Christoph
wissen.
Sie spitzte die Lippen zu einem Herzen. Es sah aus,
als würde sie Christoph einen Kuss zuhauchen wollen. »Celine. Einfach Celine.
Mich kennt man hier unter diesem Namen.«
Die beiden Beamten fuhren wieder ins Erdgeschoss
hinab. Als sie den Wikingerturm verließen, sah der Hausmeister von seiner
Beschäftigung auf.
»Nicht da?« Als Christoph nickte, bewegte er den Kopf
in Richtung Schlei. »Versuchen Sie es mal auf seinem Boot.«
Christoph tippte sich in Ermangelung einer
Kopfbedeckung kurz an den Haaransatz, was anstelle einer verbalen Antwort
»Danke« sagen sollte. In diesem Teil des Landes verstand man sich auch ohne
viele Worte.
*
Vor dem weißen Hintergrund der gekalkten Wand wirkte
das Foto des palmenbesäumten Südseestrandes mit den lachenden Mädchen wie ein
bunter Farbklecks. Doch selbst die Kalenderüberschrift »Die schönsten Strände
der Welt« konnte Große Jäger nicht aufheitern. Bereits zwei Kollegen hatten
ihren Kopf zur Tür hereingestreckt und seine ohnehin nicht beste Stimmung noch
mehr vermiest. Gottlob war Hilke Hauck noch nicht erschienen.
»Hast du beim Knobeln verloren, dass du freiwillig am
Schreibtisch sitzt?«, hatte der letzte Besucher gefrotzelt, als er das Büro nur
durch den Oberkommissar besetzt sah. Das war die pure Bösartigkeit gewesen.
Denn mit den auf der Schreibtischschublage geparkten Füßen, der brennenden
Zigarette in der einen und dem Kaffeebecher in der anderen Hand sah Große Jäger
nicht so aus, als würde er sich mit Akribie der Erledigung der
Schreibtischarbeit widmen. Das Land unterhält einen sooo großen Justizapparat.
Warum sollte ausgerechnet er gaaanz allein alle administrativen Arbeiten
erledigen. So schien es ihm zumindest. Bei allem Groll war er sich bewusst,
dass er alles andere als objektiv war. Aber wenn er Interesse am Verschieben
von Papierbergen gehabt hätte, so hätte sich für ihn sicher in der
Landesfinanzverwaltung auch noch ein gemütliches Plätzchen gefunden. Seine
Vernunft sagte ihm, dass es ohne Administration und Akten nun einmal nicht
ging. Er war sich aber sicher, dass seine Eltern zu keinem Zeitpunkt die
Absicht gehabt hatten, ein Wunschkind namens Wilderich Remigius Große Jäger in
die Welt zu setzen, damit dieses an der Nordseeküste in Formularen und
Vorschriften ertrinken würde. Nein, der liebe Gott war schon ein weiser Mann.
Dafür hatte er Wesen wie Christoph oder Mommsen erfunden und sie mit der Gabe,
bei Aktenstaub nicht husten zu müssen, ausgestattet. Schließlich hatten alle bedeutenden
Menschen, Politiker oder Manager, eine Sekretärin, die ihnen die lästige Arbeit
abnahm. Dazu musste man aber wirklich eine bedeutende Persönlichkeit sein. Und
so vermessen war er nicht, sich dazuzuzählen.
Im Fuß spürte er immer noch die Folgen von »Blödmanns«
Biss. Der Happs war nicht so schlimm, dass Große Jäger wirklich darunter litt.
Vielmehr bekümmerte ihn, dass seine beiden Kollegen seiner »Verwundung« nicht
die nötige Aufmerksamkeit schenkten. In dieser Hinsicht ähnelte er einem
kleinen Kind, dass nach einem Sturz auf das Pflaster nur dann lautstark zu
brüllen begann, wenn in der Nähe Personen weilten, auf die das Geschrei
Eindruck machte, sonst die Schramme im Knie aber klaglos wegsteckte.
Große Jäger schlürfte vernehmlich an seinem Kaffeebecher,
aber auch das saugende Geräusch füllte ihn nicht wieder mit Inhalt. Heute hatte
sich alles gegen ihn verschworen. Die Kanne in der Maschine war schon lange
leer, und niemand war da, der frischen Kaffee aufbrühte. Der Oberkommissar
griff zum wiederholten Mal zur Tageszeitung, die er schon von hinten bis vorne
durchgelesen hatte, und blieb bei den Kleinanzeigen hängen. Ein buntes
Durcheinander unterschiedlicher Gesuche und Angebote füllte einträchtig
nebeneinander die Zeilen.
»Sofortkredit ohne Auskunft. Auch in aussichtslosen
Fällen«, sprang ihm eine Annonce ins Gesicht. Es fehlte jegliche Angabe zum
Unternehmen. Lediglich eine Telefonnummer mit 0190 sowie eine Internetadresse
waren als Kontaktmöglichkeit angegeben. Gelangweilt rief er die Website auf.
Außer der Wiederholung der Schlagzeile aus der Zeitungsanzeige gab es keine
weiteren Informationen, wie der geheimnisvolle Finanzzauberer alle Probleme von
in
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