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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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»Ja, das könnte man sagen.«
    »Eine letzte Frage: Sie tragen einen deutschen Namen. Anneliese Schmidt.«
    Das erste Mal, dass
sich ein Hauch Entspannung auf ihrem Gesicht zeigte. »Ich bin Dänin, gehöre
aber der deutschen Minderheit an, die hier stark vertreten ist. Den Namen
Schmidt finden sie hier häufig, obwohl ich eigentlich aus Tinglev stamme.
Wussten Sie, dass Ernst Reuter, populärer Bürgermeister in der Nachkriegszeit
und von allen für einen Berliner gehalten, auch in Apenrade geboren wurde?«
    Bjarne Thorbensen
wechselte noch einige Worte auf Dänisch mit der Frau, bevor sie sich
verabschiedeten. Unterwegs erklärte er, dass er sich bei ihr für ihren Besuch
entschuldigt und ihr noch alles Gute gewünscht habe. Sie hatte ihm erzählt,
dass sie nach der Nachricht von Reiches Tod Urlaub genommen hätte.
    »In die Gågade gibt
es ein gemütliches Café. Vielleicht wir können dort noch ein wenig plaudern.«
Der Däne zupfte Christoph am Ärmel und ließ keinen Widerspruch aufkommen. Sie
überquerten die Hauptstraße und gingen bergan die Fußgängerzone hinauf, bis sie
in der Ramsherred die Konditorei Bonnich fanden, ein gemütliches altes Café.
Das Schaufenster der angeschlossenen Bäckerei war über und über mit Gebäck und
Leckereien gefüllt, die schon beim Anblick das verhießen, was die Einheimischen
über alles liebten: Der Kuchen war für deutsche Zungen ungemein süß.
    Christoph musste
sich von Bjarne noch eine Reihe von Geschichten über Land und Leute im
Allgemeinen, die Polizei insbesondere und über die Familie des
Polizeiinspektors ganz speziell anhören. Auch wenn er selbst gern zügig nach
Husum zurückgekehrt wäre, buchte er den Zeitaufwand auf das Konto Kontaktpflege,
wobei ihm dieses bei der liebenswürdigen Art des Kollegen nicht schwer fiel.
    *
    Der Regen trommelte gegen die Fensterscheibe des
Büros. Es hatte aufgefrischt, und ein kräftiger Wind blies vom Westen her.
Obwohl es erst später Nachmittag war, brannte bereits die Deckenbeleuchtung.
    »Wusstest du eigentlich, dass die Wendejacke in Husum
erfunden wurde?«, fragte Große Jäger in den Raum hinein. Christoph und Mommsen
sahen auf, reagierten aber beide nicht, da sich keiner angesprochen fühlte.
»Eine Seite ist für gutes Wetter gedacht, die Innenseite für schlechtes«,
fabulierte der Oberkommissar weiter. »Ideal für diesen Küstenstreifen.«
    »Das widerspricht aber deiner These von der Kurtaxe«,
antwortete Christoph.
    Große Jäger überlegte einen Moment, zog noch einmal an
seiner Zigarette und blies den blauen Dunst geräuschvoll in den Raum. Dann
klopfte er sich Asche von seinem Oberschenkel, die vom Glimmstängel
herabgefallen war. »Mist«, fluchte er, als er bemerkte, dass er lieber hätte
pusten sollen und auf diese Weise den grauen Film in den Stoff seiner Jeans
hineingerieben hatte.
    »Kurtaxe? Ach so, du meinst meine These, dass alle
Bewohner Nordfrieslands eigentlich Kurtaxe zahlen müssten, weil sie das Glück
haben, in einer bevorzugten Region leben zu dürfen. Wir haben hier ja das ganze
Jahr über Urlaub. Insbesondere wir, die Beamten, und da ganz speziell die
Polizei. Nun«, schränkte er ein, »sagen wir: Kurtaxe für elf Monate reicht. Den
November klammern wir aus.«
    »Und einen Nachmittag wie heute«, warf Christoph ein.
    »Gut! Dafür musst du für gestern doppelt zahlen.«
    »Wieso?«
    »Na ja, ich nehme an, du warst wieder mit der netten
Arzthelferin unterwegs, während der ›Schubser‹ zugeschlagen hat. Jedenfalls
haben wir dich nicht erreichen können. Es ist schon merkwürdig, dass es immer
dann zu Übergriffen kommt, wenn du vorgibst, auf Tour d’Amour zu sein.«
    »Du kannst mich ja prophylaktisch einsperren. Dann
sitze ich in einer geheizten Zelle, werde verpflegt, und du musst die Berichte
zu Ende schreiben, mit denen ich mich hier herumplage.« Dabei kreiste
Christophs Hand über einen Stapel Papier auf seinem Schreibtisch.
    »Bevor ich darangehe, lass ich lieber einen
Strauchdieb wie dich laufen«, lachte Große Jäger. »Der Papierkrieg ist Strafe
genug. Wie war’s eigentlich bei deinem Betriebsausflug in Dänemark?«
    Christoph berichtete von seiner Stippvisite ins
Nachbarland.
    »Könnte die Frau mehr wissen, als sie euch erzählt
hat?«, fragte Große Jäger.
    Christoph zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen.
Auf den ersten Blick wirkte sie nicht wie jemand, der straffällig geworden ist.
Sie hat sofort ihre Beziehung zu Frank Reiche offen gelegt, auf die wir

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