Mordlicht
Eindruck
machte. Schon vorher hatte er vorschriftsmäßig seine Scheinwerfer
eingeschaltet. Er verließ sich auf sein Glück und schwamm im Schwarm anderer
Verkehrsteilnehmer mit, die auf der nur mäßig frequentierten Autobahn die im
Königreich geltende Geschwindigkeitsbegrenzung nur als Empfehlung Ihrer
Majestät betrachteten. Nach dem Verlassen der Rennstrecke folgte er der
Ausschilderung nach Aabenraa. Schon von weitem sah er das Kraftwerk, das direkt
am Aabenraa-Fjord lag. Die Straße führte weiter am Ufer entlang. Ob
Manfred Schöppe mit seiner Yacht den hiesigen Sportboothafen auch schon
angelaufen hatte?
Einige Ampeln mit
der für Deutsche ungewöhnlich hohen Zahl von roten Lampen stoppten den
Verkehrsfluss. Die Dänen, für Farbenfrohheit bekannt, statteten ihre Kreuzungen
mit einer Unmenge von Signallampen aus.
Er war an dem
oberhalb der Bucht liegenden Stadtzentrum vorbeigefahren, als rechts das
Hinweisschild zum von Bjarne beschriebenen Parkplatz auftauchte, der sich
hinter einem mehrstöckigen Neubau versteckte. Mühelos fand er eine
Abstellmöglichkeit für seinen Wagen. Er hatte seinen Motor noch nicht
abgestellt, als aus einem weiß lackierten Saab mit dem schwarzen Schriftzug
»Politi« ein Mann ausstieg. Er war eher klein, neigte zu einer gemütlichen
Rundlichkeit. Die rotblonden kurzen Haare bedeckten einen ebenfalls rundlichen
Kopf. Im Mundwinkel qualmte eine Pfeife.
Der Mann kam mit
einem freundlichen Lächeln auf ihn zu und streckte ihm eine Hand entgegen.
»Hej«, strahlte er.
»Du bist Christoph. Ich bin Bjarne.« Mit einem überraschend kräftigen
Händedruck schüttelte er Christophs Hand, als wolle er sie nicht wieder
loslassen. »Schön, dass wir uns auch in Natur sehen können. Was kann ich für
dich tun?«
Christoph erklärte
dem dänischen Polizeiinspektor, wie sie auf Anneliese Schmidt gestoßen waren.
»Kein Problem«,
verkündete Bjarne Thorbensen und zupfte Christoph am Arm. »Dann wollen wir
sehn, was sich tun lässt. Komm, ich glaube, ich habe ein Idee, wo die Frau
wohnt.«
Er ging voran. »Die
Straße heißt Reperbanen. Das hat aber nix mit die Reeperbahn von Hamburg zu
tun. Hier gibt’s kein Sexlokale. Es wohnen nur anständige Leute. Weißt du,
woher der Name Reperbanen stammen tut?«
Christoph nickte.
»Reeps sind Seile. Die wurden früher auf langen Bahnen zu Schiffstauen
geflochten. Das ist der Ursprung des Namens.«
»Kommst du auch von
eine Hafenstadt?«
»Aus Kiel.«
Bjarne lachte. »Na,
denn. So einen großen Hafen haben wir in Dänemark fast nicht. Nur in
Kopenhagen. Aber das ist ja nicht richtig Dänemark.«
Er spielte damit auf
den Widerspruch an, der zwischen den »Inseldänen« und den Jüten, den Bewohnern
des Festlands, bestand und vergleichbar dem Verhältnis von Preußen und Bayern
war. Dann blieb er vor einem Haus aus roten Ziegelsteinen stehen.
»Hier ist es. Ich
hab vor deine Ankunft schon ein wenig gesehen, wo wir hinmüssen«, erklärte
Bjarne.
Zu Christophs
Verwunderung war die Haustür nicht verschlossen. Thorbensen bemerkte Christophs
Erstaunen.
»Es ist noch gar
nicht lange her, da wurden in Dörfer und kleine Städte die Türen nicht
abgeschlossen. Wer das getan hat, hatte was zu verstecken, haben die Nachbarn
geglaubt. Leider ist das heute nicht mehr so bei uns.«
Im ersten
Obergeschoss fanden sie das Namensschild neben der Türglocke. Ein Summer ertönte,
nachdem Bjarne seinen kurzen dicken Finger auf den Knopf gelegt hatte. Kurz
darauf wurde die durch eine Sperrkette gesicherte Tür einen Spalt geöffnet.
Eine Frau sah die beiden Besucher an.
»Dag«, sagte
Thorbensen, was eher wie ein »Dau« klang und als Begrüßung nur bei Dänen
untereinander üblich ist. »Mit navn er Bjarne Thorbensen. Jeg er inspektør fra
Ribe Politi. Können wir Deuts sprechen?«
In den Augen der
Frau war das Erschrecken zu erkennen, das Christoph schon oft gesehen hatte,
wenn die Polizei an der Haustür klingelte.
»Politi? Ich habe
geahnt, dass ihr kommt werdet«, wechselte sie ebenfalls ins Deutsche. »Und wer
ist das?«
»Ein Kollege von
Deutsland. Er möchte dir ein paar Fragen stellen. Hier«, Bjarne schob ihr
seinen Polizeiausweis durch den schmalen Spalt, »damit du mir auch glauben
kannst.«
Sorgfältig studierte
sie das Dokument, dann schloss sie die Tür. Sie hörten, wie die Sperrkette
entriegelt wurde. Die Tür öffnete sich ganz.
»Kommen Sie herein«,
sagte sie und sah Christoph an. Unvermittelt war sie zum »Sie« gewechselt.
Die
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