Mordloch
die Arme. »Der Festgenommene, zu dessen Identität wir momentan nichts sagen wollen, hat sich in verdächtiger Weise am Fundort der Leiche aufgehalten. Außerdem gab es einige Indizien, die ausreichend waren, dass der Amtsrichter Haftbefehl erlassen hat.«
»Um welche Art von Indizien handelte es sich?« fragte die Frau sofort nach.
Jetzt sah Bruhn die Chance zum Eingreifen für gegeben. »Sie werden Verständnis haben, dass wir dazu nichts sagen«, bellte er, »nehmen Sie das einfach so zur Kenntnis, wie wir das sagen. Es ist in dieser Sache schon genug Unsinn verzapft worden.«
Ziegler schaute ihn ernst von der Seite an und war sichtlich bemüht, keine unnötige Schärfe aufkommen zu lassen. »Wir werden Sie selbstverständlich informieren, sobald die Ermittlungslage dies zulässt.«
Ein Journalist aus der zweiten Reihe, vermutlich von einem Boulevardblatt, war offenbar gut informiert: »Dieser Musiker, er ist ja hierzulande ziemlich prominent, wie ich festgestellt habe, droht inzwischen mit Schadensersatz für Auftritte, die ihm bereits entgangen sind und die ihm am bevorstehenden Wochenende entgehen. Sein Anwalt hält die angeblichen Beweise, die seinem Mandanten zur Last gelegt werden, für ziemlich dürftig.«
Dann machte der Journalist deutlich, dass er mehr wusste, als er in dieser Runde sagen wollte: »Und ich bin derselben Meinung.«
Ziegler erkannte die Brisanz: »Wenn sich der Anwalt direkt an Sie gewandt hat, dann ist das seine Angelegenheit. Er wird die rechtlichen Möglichkeiten kennen und sie auszuschöpfen wissen.«
Sander horchte auf. Es ärgerte ihn, dass ein Kollege von auswärts offenbar mehr wusste, als er vor Ort. Und irgendwie klang Zieglers Erwiderung nicht gerade überzeugend. Sander beschlich das seltsame Gefühl, die kurzfristig anberaumte Pressekonferenz könnte neben der Fahndung nach Frau Flemming noch einen anderen Grund haben: Die Medienvertreter zu besänftigen, weil im Hintergrund vielleicht schon etwas lief ...
Häberle zog sich ungewohnt schnell zurück. Er wollte sich auf keine langen Diskussionen mehr einlassen. Er wehrte alle Bitten von Journalisten nach einem Interview ab und verwies sie an Bruhn, der ohnehin scharf darauf sein würde, vor Kameras und Mikrofone treten zu dürfen, und eilte aus dem Feuerwehrhaus.
Drüben im Lehrsaal des angrenzenden Polizeireviers empfing ihn Linkohr mit den neuesten Erkenntnissen der Spurensicherung: »Sie waren in Flemmings Haus drin.«
Häberle setzte sich zu dem jungen Kollegen an einen der weißen, mit Akten beladenen Tische. »Und? Was haben sie festgestellt?«
»Keine Aufbruchspuren. Die Einbrecher müssen mit einem Originalschlüssel dagewesen sein«, erklärte Linkohr.
»Ist denn überhaupt sicher, dass jemand drin war?«
Linkohr nickte. »Es sieht sehr danach aus, sagen die Kollegen. Aber nichts durchsucht und auch nichts durchwühlt. Aber im Kleiderschrank hat’s auffällige Lücken – als ob Damenkleider herausgenommen worden seien. Außerdem ist die Festplatte des Computers formatiert worden. Unsere Jungs haben jetzt die Kiste mitgenommen und wollen versuchen, ob sie noch irgendwo etwas Verwertbares finden.«
Linkohr überlegte, was er noch berichten wollte. »Ja – und Datenträger seien auch keine mehr vorhanden.«
Häberle kniff nachdenklich die Augen zusammen: »Da hat jemand gründlich aufgeräumt.«
37
Die Sommermorgen sind im Roggental besonders reizvoll. Sanft steigen feine Nebel auf, die sich in der Kühle der Nacht entlang der Bachläufe gebildet haben. Nur langsam schob sich die Sonne hinter den bewaldeten Hängen in das schmale Stück Himmel hinein, zu dem das enge Tal den Blick frei gab.
Martin Seitz war schon im Morgengrauen zu seinen Fischteichen gegangen, begleitet von Leo, dem riesigen Hund. Der Gastwirt und Forellenzüchter genoss diese Stimmung, die frische Luft und das Plätschern des Wassers. Von einer nahen Koppel drang das Wiehern von Pferden herüber.
Es war kurz nach neun, als an diesem Freitagmorgen ein Mercedes in den Parkplatz vor der Roggenmühle einbog. Leo hob die Schnauze, Seitz drehte sich um. Er kannte den Mann, der aus dem Wagen stieg sofort. Es war Wühler, der hoch gewachsene Ortsvorsteher von Waldhausen. Er wirkte blass und ernst, winkte Seitz zu und näherte sich mit langen Schritten.
»Martin, grüß’ dich«, sagte er, »schöner Morgen heut’.«
Seitz wischte sich die Hände an seinem wasserundurchlässigen Overall ab und erwiderte den Gruß.
Wühler
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