Mordloch
erfahren hatte. Ihm taten die Hobbyeisenbahner Leid, die mit so viel Engagement und noch mehr Geld die Strecke quer durch die Stadt wieder aktivieren wollten. Und nun war ihr langersehnter Bagger, kaum, dass sie ihn erhalten hatten, wohl nur noch Schrottwert. Wer ihn gerammt hatte, erfuhr der Journalist allerdings nicht. Im Polizeibericht hieß es nur, dass der Schienenbagger »entgegen der Vorschrift ungesichert« in die Straße eingefahren sei. Dort habe ein »die Fabrikstraße abwärts kommender Lkw-Lenker« den Bagger zu spät erkannt und sei gegen dessen linke Seite gestoßen.
Dass es am späten Nachmittag noch zu einem Zusammentreffen mit Häberle kam, hatte Sander einer Entscheidung des Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Wolfgang Ziegler zu verdanken. Zum Leidwesen von Kripochef Helmut Bruhn war eine Pressekonferenz anberaumt worden. Offenbar zeigten sich jetzt auch verstärkt auswärtige Medien an dem Mordfall in der Provinz interessiert.
Bruhn hatte zwar darauf bestanden, dass die Journalisten nach Göppingen geladen wurden, doch erschien dem Ulmer Staatsanwalt Geislingen für sinnvoller. In aller Eile hatte Pressesprecher Stock die Medien auf 18 Uhr geladen. Die meisten Journalisten murrten über diese äußerst ungünstige Zeit. Dann aber tauchte trotzdem ein Dutzend von ihnen im Lehrsaal des benachbarten Feuerwehrmagazins auf. Zwei private Fernsehstationen und einige jugendlich wirkende Radioreporter, mehrere Journalisten der schreibenden Zunft und ein Fotograf hatten sich eingefunden. Sander nahm in der ersten Reihe Platz, nachdem ihn Ziegler, Stock und Häberle freundlich begrüßt hatten. Der Handschlag mit Bruhn war hingegen eher frostig.
An der Stirnseite des Saals war für die Kriminalisten ein langer Tisch quer gestellt worden. In der Mitte nahm der Staatsanwalt Platz, rechts neben ihm Bruhn, links Häberle und Stock.
Dr. Ziegler, dessen volles, einst blondes Haar ziemlich weiß geworden war, erklärte knapp, worum es ging. »Nachdem in den Medien allerlei Gerüchte zu lesen waren, möchten wir Sie über den aktuellen Stand informieren. Anlass dafür, dass wir Sie so kurzfristig eingeladen haben, ist eine Suchmeldung.«
Stock sortierte unterdessen einige vorbereitete Pressemappen und begann, sie an die Journalisten auszuteilen. Es handelte sich um eine schriftliche Zusammenfassung dessen, was Ziegler jetzt vortrug.
»Wir möchten Sie um eine Öffentlichkeitsfahndung bitten«, fuhr Ziegler fort, »seit einigen Tagen ist die Frau des Mordopfers verschwunden. Es handelt sich um Sarah Flemming. Sie ist gebürtige Türkin, auch wenn ihre äußere Erscheinung dagegen spricht – und es ist zu befürchten, dass sie verschleppt wurde.« Ein Raunen ging durch die Zuhörerschar.
Ziegler gab für die auswärtigen Journalisten einen Rückblick auf das Geschehen in der Nacht zum vergangenen Sonntag, ohne jedoch Details zu den bisherigen Ermittlung-en preiszugeben. Er vermied es auch, Zusammenhänge ins Gespräch zu bringen. »Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte er – und Sander grinste ob dieser Standardformulierung.
»Alle Berichte, die in den vergangenen Tagen erschienen sind und in denen kommunalpolitische Verwicklungen erwähnt wurden, sind reine Spekulation«, versuchte Ziegler gleich im Vorfeld eine etwaige Diskussion abzubiegen, »wir verfolgen zwar einige Spuren, aber keine davon erscheint im Moment vielversprechend zu sein.«
Ein forsch auftretender Radiomann, gerade wohl dem Gymnasium entronnen, stellte die erste Frage: »Der Mord geschah in der Nacht zu einem Sonntag, als die Museumsbahn gefahren ist. Sehen Sie einen Zusammenhang?«
Ziegler lächelte. »Nein. Es gibt auf der Alb da oben verständlicherweise viele Personen, die mit dieser Museumsbahn zu tun haben – aber Hinweise darauf, dass diese Eisenbahn in unserem Fall eine Rolle spielt, haben wir keine.«
Eine junge Frau, die neben ihrem Kameramann stand, der zwischen den Reihen ein Stativ aufgebaut hatte, war die Nächste: »Wir haben bei unserem Dreh’ heute Mittag erfahren, dass Sie einen Musiker festgenommen haben, der am Mordabend in dieser Mühle aufgetreten ist. In welcher Beziehung steht er zu der Sache?«
Ziegler wandte sich an Häberle: »Dazu sollten Sie etwas sagen, soweit es die Ermittlungen nicht beeinträchtigt.«
Eigentlich hatte Bruhn darauf gewartet, vor der laufenden Kamera etwas erklären zu dürfen. Er strich sich mit der flachen Hand über die Glatze und kniff die Lippen zusammen.
Häberle verschränkte
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