Mordloch
Telefon und blickte dabei zum Fenster, durch dessen weiße Vorhänge an diesem Samstagvormittag schon wieder grell die Sonne schien. Linkohr blätterte an einem kleinen Nebentisch in einem Aktenordner.
»Und?« wollte Bruhn wissen, »auf wen tippen Sie?«
Häberle überlegte, wie er es formulieren sollte, ohne gleich einen cholerischen Ausbruch zu verursachen. »Schwer zu sagen – vor allem, weil es unterschiedliche Motive geben könnte.«
»Konkret!« bellte der Chef.
»Schweinestallgegner einerseits, dubiose Teppichhändler andererseits. Dann dieser Freudenthaler, der mit allem Möglichen abzocken will. Frauengeschichten – und allerlei merkwürdige Gerüchte, die in dem Ort umherschwirren. Bis hin zum Verschwinden einer Tempomessanlage vor ein paar Jahren – nachdem jeder jeden verdächtigt. Und nicht zu vergessen dieser Musiker, auch wenn er wieder aus dem Knast raus ist.«
»Ein Sumpf«, kommentierte Bruhn scharf, »legen Sie ihn trocken. Aber bald.« Ende des Gesprächs. Wie immer.
Häberle und Linkohr schauten sich grinsend an.
»Sie haben einen in Ihrer Aufzählung vergessen«, gab der junge Kriminalist zu bedenken.
Häberle stutzte, bekam aber gleich die Antwort: »Diesen Glockinger aus Stammheim.«
Der Kommissar musste sich eingestehen, diesen Dachdeckermeister ein wenig aus den Augen verloren zu haben.
Ismet Özgül schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. Er hatte einen türkischen Fluch ausgestoßen. Die beiden Männer, die vor ihm standen, Mehmet und Özmir, waren bleich geworden. Wenn ihr Chef zornig wurde, empfahl sich vorsichtige Zurückhaltung.
Özgül zischte weitere Worte auf Türkisch, die sich gefährlich anhörten, und unterstrich sie mit energischen Handbewegungen, die darauf schließen ließen, dass eine Sache als beendet gelten musste. Vorläufig jedenfalls.
Als ein dritter Mann das Büro betrat und die Tür hinter sich einrasten ließ, blickte Özgül zu ihm auf. Er war groß und überragte die anderen um mehr als einen Kopf.
»Diese Anfänger«, wandte sich Özgül in Deutsch an den Hinzugekommenen, »haben uns beinahe alles kaputt gemacht. Drei Tage sind sie abgetaucht – und wir haben die Bullen auf dem Hals.«
Der Große schaute die beiden beschimpften Türken an, die wie begossene Pudel vor dem Schreibtisch ihres Chefs standen.
»Haben hier in allernächster Umgebung weitergemacht, obwohl ich’s ihnen verboten hab’«, wetterte Özgül. »Ausgerechnet jetzt – jetzt, wo es von Bullen nur so wimmelt. Die haben bereits rausgefunden, dass wir mit ›Eurotransco‹ zusammenarbeiten.«
Der Große blickte missbilligend von Mehmet zu Özmir.
Mehmet versuchte, sich zu rechtfertigen: »Haben nur einmal noch gewollt, weil günstig.«
»Schwachsinn«, entfuhr es dem Großen, der die Tragweite des Geschehens schnell erfasst hatte. »In den Zeitungen wird schon gewarnt, sogar überörtlich. Ihr könnt euer Geschäft vergessen.« Er wandte sich an den Chef: »Jag’ sie zum Teufel.«
Özgül lehnte sich zurück und schwieg. So einfach würde das nicht sein. Die beiden waren im Stande und ließen die ganze Organisation auffliegen. Sie einfach verschwinden zu lassen, ganz schnell und unauffällig, wäre kaum möglich. Als Mitwisser konnten sie ziemlich gefährlich werden.
Er wandte sich wieder auf Türkisch an sie und schlug einen versöhnlicheren Tonfall an.
»Was hast du ihnen gesagt?« wollte der Große wissen, der sich inzwischen an einige senkrecht stehende Teppichrollen gelehnt hatte.
»Dass ich sie im Innendienst weiter beschäftigen werde – selbstverständlich. Und wenn Gras über die Sache gewachsen ist, können wir unsere Methode anderswo fortsetzen. In Norddeutschland vielleicht.«
»Dir ist aber schon klar, was die angerichtet haben?« fragte der Große zweifelnd, »wenn die Bullen Lunte gerochen haben, kannst du damit rechnen, dass sie den Laden hier auf den Kopf stellen.« Er wurde zunehmend nervöser.
»Ist alles schon erledigt«, beruhigte Özgül, »alles. Die heißen Dinger sind weg. Keine Spur mehr da.«
Der Große schien plötzlich verärgert zu sein. »Und darf ich mal fragen, wieso ich das alles erst jetzt erfahre?« Er nahm den Mann hinterm Schreibtisch scharf ins Visier.
»Weil ich das alles im Griff habe«, konterte der Angesprochene, »alles. Du siehst doch ...« Er deutete in Richtung Ausstellungsraum. »... . alles sauber. Ohne Aufsehen, ohne Aufregung.«
»Und die Filialen? Die anderen Geschäfte?« Der Große
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